Überflüssiges Notkraftwerk Birr
Die Grünen wollen der Ukraine Turbinen schenken

Die Schweiz hat genug Energie. Nun fordern die Grünen vom Bundesrat: Er soll der Ukraine Turbinen schenken, die er für das Notkraftwerk im Aargau bestellt hat.
Publiziert: 20.11.2022 um 09:11 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 16:35 Uhr
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Grünen-Nationalrat Kurt Egger (l.) will der Ukraine im Kampf gegen ein Blackout helfen.
Foto: Keystone
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Ende September beschloss der Bundesrat den Bau eines Notfallkraftwerks in Birr AG. Kostenpunkt: 470 Millionen Franken. Dass das Kraftwerk mit Öl betrieben und so viel CO2 ausstossen würde wie die Stadt Zürich – geschenkt. Schliesslich fürchtete damals die ganze Schweiz, ihr werde im Winter der Strom ausgehen.

Der Bau des Kraftwerks läuft auf Hochtouren. Das Herzstück sind acht Turbinen. Sie stehen bereits im Hafen von Birsfelden BL – bereit, auf die fertig gegossenen Betonplatten in Birr gestellt zu werden. Doch nun beruhigt der Bundesrat: So schlimm werde die Krise in den kommenden Monaten wohl doch nicht. Die Wasserreserven in den Stauseen dürften bis zum Frühling halten. Gut möglich also, dass es das Notkraftwerk im Aargau gar nicht braucht.

Ganz anders steht es um die Energieversorgung in der Ukraine: Dort liegt ein Drittel des Kraftwerkparks flach. «Unsere Energiesysteme sind von den russischen Raketenanschlägen stark betroffen», sagte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (51) Anfang November zu Blick. Klitschko bereitet die ukrainische Hauptstadt auf ein Blackout vor, denkt bereits laut über eine Evakuierung von Teilen Kiews nach.

«Das Geld haben wir schon verlocht»

Jetzt wird Grünen-Nationalrat Kurt Egger (66, TG) aktiv: «Wir werden die Turbinen für Birr nicht benötigen. Aber wir können damit etwas Gutes tun.» Konkret: Egger will der Ukraine vier der acht Turbinen schenken.

Der Energiepolitiker hat mit den Projektleitern in Birr Kontakt aufgenommen. Die haben ihm bestätigt, dass sein Vorhaben technisch möglich sei. Die Stromleitungen in Kiew sind mit den Turbinen kompatibel. Der Transport in die Hafenstadt Odessa würde 21 Tage dauern. In dieser Zeit könnten in Kiew die benötigten Betonplatten und Anschlüsse gebaut werden. «Das Geld für die Turbinen haben wir ohnehin schon verlocht», meint Egger. «Doch auf diese Weise können wir der Ukraine eine wertvolle Soforthilfe anbieten.»

Wäre das erlaubt? «Die Energieversorgung ist kriegsentscheidend», sagt Grünen-Fraktionschefin Aline Trede (39, BE). «Aber die Turbinen sind kein Kriegsmaterial. Einem Transport in die Ukraine steht deshalb nichts im Weg.» Es wäre eine Hilfeleistung, die der Schweiz gut anstehen würde, so Trede. «Wir könnten uns damit einen echten Reputationsbonus gegenüber den anderen westlichen Staaten verschaffen.»

Der Bundesrat kann bestimmen

Die Grünen haben sich diese Woche mit ihrem Anliegen an die Landesregierung gewandt. «Das Notkraftwerk in Birr geht auf eine Verordnung des Bundesrats zurück», sagt Kurt Egger. «Dieser kann deshalb auch bestimmen, die Turbinen der Ukraine zur Verfügung zu stellen.»

Warum nur vier Turbinen? «Damit wollen wir Befürchtungen entgegentreten, dass es im übernächsten Winter anders aussehen könne.» Doch aus Sicht der Grünen sei ein fossiles Notkraftwerk ohnehin das falsche Instrument. «Wir müssen stattdessen unsere Energieeffizienz steigern», so Egger.

Ein Weihnachtsgeschenk für Klitschko? Der Ball liegt beim Bundesrat.

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