Hans-Dieter Schroedter aus Minusio TI feiert noch diesen Monat seinen 91. Geburtstag. Stöcke unterstützen ihn beim Gehen. Er brauchte Hilfe bei einem Umzug. «Doch die Zügelfirma hat mein Alter und meine Gebrechlichkeit schamlos ausgenutzt», sagt der Senior zu Blick.
Konkret: «Sie zogen mir für den Umzug 26'000 Franken aus der Tasche. Und das, obwohl die Offerte 5000 Franken betragen hatte. Wucher!» Blick liegen sowohl die Offerte als auch die Rechnungen vor. Und Schroedter belegte die Postfinance-Überweisungen.
Der Reihe nach: Die 4,5-Zimmer-Wohnung in Locarno Monti passt nicht mehr zum fortgeschrittenen Alter von Schroedter und seiner Frau. Mit 127 Quadratmetern Wohnfläche ist sie zu gross. Und zu weit weg von ÖV, Arzt, Apotheke.
Das Ehepaar zieht um. In eine 3,5-Zimmer-Wohnung, die weniger abseits liegt. Das neue Daheim liegt nur ein paar Kilometer vom alten entfernt. Ein Zügelunternehmen soll den Umzug stemmen.
«Die Firma schien seriös»
Hans-Dieter Schroedter stösst auf einer Vergleichsplattform auf die «Regional Umzüge & Transporte GmbH» aus Buchs ZH. «Sie schienen etabliert und seriös, verrechneten den Hin- und Rückweg nicht. Auf der Plattform stand nichts Negatives über die Firma.»
Der Rentner holt eine Offerte ein. 5000 Franken. «Klar, viel Geld für einen Umzug. Aber ich besitze unter anderem handgefertigte, teure Möbel und kostbares Porzellangeschirr. Dies musste sorgsam eingepackt werden», erklärt der Deutsche.
Der pensionierte Optiker ist einverstanden mit der Offerte. Und bezahlt den Betrag per Postfinance. «Für den Umzug ging ich von 15 Arbeitsstunden aus. So wie auf der Offerte angegeben.»
«Fühlte mich unter Druck gesetzt»
Aber die Arbeiten dauern deutlich länger. Und: «Der Teamleiter verlangte an mehreren Abenden Bargeld», sagt der 90-Jährige. «Er gab zu verstehen, dass er und seine Leute am nächsten Morgen nicht wiederkommen und weiterarbeiten würden.» Der Senior erklärt dem Vorarbeiter, dass er zu Hause nicht so viel in bar habe. «Ich fühlte mich von den Zügelmännern stark unter Druck gesetzt.»
Weil Schroedter die Barzahlung verweigert, fordert die Zügelfirma noch während des Umzugs Geld via Rechnung. «Ich versprach ihnen, das Geld so schnell wie möglich per Postfinance zu überweisen. Denn ich hatte Angst, dass die Zügelmänner sonst abhauen würden.» Heisst: «Meine Frau und ich wären im Chaos sitzengeblieben. Wir hätten nicht gewusst, wo schlafen.»
«Nicht normal, dass ein Umzug sechs Tage dauert»
So gehen die Arbeiten weiter. «Ganze sechs Tage wurstelten sie rum. Das ist doch nicht normal, dass ein Umzug in dieser Grössenordnung so lange dauert», sagt Schroedter. «Sie wirkten konzeptlos, es war kein geordneter Ablauf erkennbar. Mir wurde klar, dass da keine Profis am Werk sind.» Und: «In der neuen Wohnung räumten sie die Gegenstände kaum oder nicht ordnungsgemäss ein. Meine Frau und ich mussten das selbst übernehmen. Sie erlitt einen Nervenzusammenbruch.»
Sein Fazit über den horrend teuren Umzug: «Mit meinem Alter und meiner körperlichen Verfassung war ich für diese Halsabschneider ein gefundenes Fressen.» Er sagt: «Eine Kostenexplosion von 5000 auf 26'000 Franken – das kann doch nicht sein.» Kurz: «Das ist Wucher.» Der Hochbetagte beschwert sich: «Sie haben mich nie über die Kostenexplosion informiert. Wie teuer das Ganze wird, wurde mir erst klar, als sie alle Rechnungen gestellt hatten.» Kommt hinzu: «Ich forderte im Nachhinein Arbeitsrapporte ein. Die Firma verweigerte mir diese aber.»
Das sagt das Zügelunternehmen
Blick hat die «Regional Umzüge» mit den Vorwürfen konfrontiert. «Herr Schroedter erhielt von uns auf Anfrage eine Richtofferte», sagt die Inhaberin zu Blick. «Dabei handelt es sich um eine Offerte ohne jegliche Besichtigung und ohne eingereichte Inventarliste. Wir rechnen mit einer normalen Standardeinrichtung.» Daher habe man nicht genau einschätzen können, wie viel Aufwand es geben werde. «Bei grösseren Umzügen, die nicht besichtigt wurden, kann es durchaus passieren, dass der Preis steigt.»
Sie führt dazu aus: «Da Herr Schroedter aber viel mehr Möbel und Inventar hatte sowie sehr schwere Gegenstände und komplizierte Montagearbeiten plus Entsorgung, die er sich erst vor Ort während des Umzugs wünschte, ging es länger.» Schroedter sei ab Tag eins vom Teamleiter über den grösseren Arbeitsaufwand informiert worden. «Täglich wurden die Rapporte mit Herrn Schroedter besprochen, er unterschrieb und hatte dabei nie Einwände.»
Zusätzlich sei die Leiterin der Disposition und Administration am dritten Tag persönlich bei Schroedter vorbeigegangen. Der Kunde sei immer noch zufrieden gewesen. «Ihm war klar, dass es viel mehr Aufwand gibt, als er dachte.»
Rentner will sein Geld auf dem Rechtsweg zurückholen
Die Firmeninhaberin sagt auch, dass der Kunde einmal am ersten Tag um eine Barzahlung gefragt worden sei – «sonst nicht». Sie erklärt: «Gemäss AGB bezahlt man bei uns bar oder mit Twint. Bei Herrn Schroedter machten wir aus gutem Willen eine Ausnahme, dass er per Rechnung bezahlen kann. Wir hatten in der Vergangenheit bei Zahlungen per Rechnung schlechte Erfahrungen gemacht.»
Eine schlechte Erfahrung hat auch Hans-Dieter Schroedter gemacht. Darum kehrt er den Spiess jetzt um: «Ich werde die Firma rechtlich belangen und 21'000 Franken zurückfordern – die Differenz zwischen Offerte und bezahltem Betrag.»