Rocker-Krieg in der Schweiz: 2016 wurde dieses Szenario immer realer. Die Kurden-Gang Bahoz (kurdisch für Sturm), ein Zusammenschluss schwerer Jungs, trieb vor allem in Zürich ihr Unwesen. Ihr grösster Feind: die Osmanen Germania – ultranationalistische Erdogan-Anhänger in Rockerkutte.
2017 folgte plötzlich die Wende: Die Kurden-Gang, die als aggressiv, gewalttätig und machthungrig galt, verkündete ihre Auflösung. Ihre deutsche Hauptorganisation mit Sitz in Baden-Württemberg tat es ihnen gleich. Damals hiess es, man hätte sich «aus Überzeugung» zu diesem Schritt entschieden und wolle verhindern, dass das Image der Kurden durch Gangkonflikte Schaden nehme.
Jetzt zeigen aber Recherchen der «Republik»: Alles sei nur Show gewesen, die vermeintliche Auflösung der Strassengang solle nie stattgefunden haben. Dem Bericht zufolge hat die Zürcher Staatsanwaltschaft 25 mutmassliche Mitglieder der Gruppierung wegen Straftaten zwischen 2019 und 2022 – also drei Jahre nach ihrer angeblichen Auflösung – im Visier.
Staatsanwaltschaft lässt Kronzeugen mit Heli einfliegen
Dass den Behörden derart viele Bahoz-Anhänger ins Netz gegangen sind, kommt nicht von ungefähr. Einer der Beschuldigten soll als Kronzeuge fungieren und ist der Staatsanwaltschaft mit Aussagen gegen andere Clan-Mitglieder bei ihren Ermittlungen behilflich. Er soll in den wesentlichen Punkten geständig sein! Eine Seltenheit, wenn es um Ermittlungen gegen organisierte Kriminalität geht.
Da der Kronzeuge der Justiz zahlreiche Clan-Mitglieder ausliefert, ist er für die Behörden dementsprechend von grossem Nutzen. Kein Wunder, dass sie ihn vor gewalttätigen Übergriffen schützen und sein Aufenthaltsort um jeden Preis streng geheim halten wollen. Für die Einvernahmen lassen die Behörden den Kronzeugen gar mit einem schweren Heli ins Polizei- und Justizzentrum im Zürcher Kreis 4 fliegen.
Mehrere versuchte Tötungen und Körperverletzungen
Die Vorwürfe gegen die Clan-Mitglieder wiegen schwer: Neben Drogendelikten und Freiheitsberaubung werden ihnen mehrere versuchte Tötungen und mehrere versuchte schwere Körperverletzungen vorgeworfen.
Unter anderem sollen sie sich mit ihren Feinden eine Schiesserei aus einem fahrenden Auto geliefert haben. Zahlreiche der Gewalttaten sollen auch bei Gruppenritualen begangen worden sein.
300 Einvernahmen durchgeführt
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich bestätigt gegenüber der «Republik» «ein umfangreiches Strafverfahren». Die Staatsanwaltschaft I ist für die Verfolgung schwerer Gewaltkriminalität zuständig.
Wie es im Bericht heisst, hätten die Ermittler bereits 300 Einvernahmen durchgeführt – abgeschlossen sei die Untersuchung aber noch lange nicht.
Bisher hätten sämtliche Beschuldigte die gegen sie erhobenen Vorwürfe von sich gewiesen. Insbesondere bestreiten sie, Mitglieder einer kriminellen Organisation zu sein. Sie behaupten, nichts mit der Gruppierung Bahoz am Hut zu haben. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. (dzc)