Nach der gewonnenen Partie der Schweizer Nati gegen die Nordiren gibt es nur ein Thema: Das gecrashte Platz-Interview von Xherdan Shaqiri (30) mit dem Tessiner TV-Sender RSI. Vor laufender Kamera drängte sich plötzlich ein Unbekannter ins Bild und legte dem Fussball-Star eine Jacke um die Schultern. Dieser reagierte verdutzt — doch handelte er blitzschnell und streifte das Kleidungsstück sofort ab.
Auf der olivgrünen Jacke prangte ein Emblem mit dem Doppeladler auf rotem Grund und den Buchstaben «UÇK» — es ist das Logo der einstigen «Befreiungsarmee des Kosovo». Aus Sicht der Serben ist dies eine kriminelle Organisation, für die Kosovo-Albaner gelten sie jedoch tatsächlich als Befreier. Um die ganze Botschaft hinter der Jacken-Aktion zu verstehen, muss man einige Jahre in die Vergangenheit reisen.
Ein uralter Konflikt
Die «Ushtria Çlirimtare e Kosovës» kurz «UÇK» entstand 1994, als ein Konflikt um eine Region tobte. Auf der einen Seite standen die Kosovo-Albaner. Sie forderten einen eigenen, unabhängigen Staat unter Berufung auf das Völkerrecht. Die Serben wiederum wollten die Gegend für sich: Für viele galt der Kosovo als heiliges Land, da die serbisch-orthodoxe Kirche dort einige wichtige religiöse Zentren stehen hatte.
Begonnen hat der ursprüngliche Konflikt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Balkan herrschte Krieg und die Osmanen wurden bis an die Grenzen der Türkei zurückgedrängt, auch aus dem Gebiet des heutigen Kosovo. Obwohl im Kosovo vor allem Albaner lebten, wurde das Land schliesslich nicht dem neugegründeten Staat Albanien zugeordnet — sondern den Serben zugesprochen, was diese als eine Art Rückeroberung feiern. Bis Mitte des 14. Jahrhunderts war die Region nämlich Teil des mittelalterlichen Serbischen Reiches.
So entstand die UÇK
Nach dem zweiten Weltkrieg kam Josip Broz Tito ins Spiel. 35 Jahre lang führte er erst als Ministerpräsident und später als Staatspräsident das jugoslawische Volk. Während seiner Amtszeit sorgte er dafür, dass Kosovo innerhalb von Serbien ein hohes Mass an Autonomie bekam. Das passte den Serben gar nicht: Sie sahen darin eine Schwächung ihres Staates.
Ende der Achtzigerjahre wurde Slobodan Milosevic Präsident von Serbien. Auch ihm war die aktuelle Situation ein Dorn im Auge: Er kündigte das Ende der Unterdrückung der Serben im Kosovo an und führte daher die Zwangsverwaltung vom Kosovo ein.
Die Albaner liessen sich das nicht gefallen. Sie begannen daraufhin mit dem Aufbau eines parallelen Untergrundstaates. Sie gründeten eigene politische Institutionen, Schulen und sogar Spitäler. Die UÇK war geboren. Das Ziel: die Unabhängigkeit des Kosovo.
Schlimme Kriegsverbrechen
Von 1996 bis Anfang 1998 hat sich die Organisation mehreren Mordanschlägen an Menschen mit Bezug zu Serbien bekannt, unter den Opfern waren beispielsweise serbische Polizisten. Im Jahr 1998 brach dann definitiv der Krieg aus: Die serbisch-jugoslawische Armee und serbische Ordnungskräfte kämpften gegen die UÇK. Alle Beteiligten begingen schlimme Kriegsverbrechen, Tausende Menschen starben und grosse Teile des Landes wurden zerstört.
Schliesslich schaltete sich die Nato ein und verbündete sich mit der UÇK. Mit dem Rückzug der serbischen Streitkräfte Anfang Juni 1999 und dem Einmarsch der Nato in den Kosovo kam mit dem Kriegsende auch das Ende der «Befreiungsarmee des Kosovo».
Endlich unabhängig! Oder doch nicht?
Noch im selben Jahr kam es zu der Einigung zwischen der Nato und Jugoslawien: Kosovo wurde zum Protektorat erklärt. Auf dem Papier gehörte es damit zwar weiterhin zu Serbien, verwaltet wurde es jedoch durch die Uno. Der genaue Status von Kosovo wurde aber nicht definiert, er sollte in einem politischen Prozess noch ausgehandelt werden.
Im Frühjahr 2004 kam es zu plötzlichen Gewaltausbrüchen: Kosovarische Gruppen zündeten mehrere serbisch-orthodoxe Kirchen an, zerstörten hunderte Häuser und vertrieben tausende Nicht-Albaner. Die Status-Frage drängte auf einmal, doch eine Einigung konnte nicht erzielt werden.
2008 folgte dann die einseitige Unabhängigkeitserklärung von Kosovo: Ein Freudentag für die Kosovo-Albaner — Frust bei den Serben. Sie erkannten die Unabhängigkeit nicht an — bis heute. Daher ist der Konflikt eigentlich noch gar nicht begraben: Um den Streit definitiv zu beenden, müsste die Beziehung rechtlich bindend geregelt werden.
Wenn Fussball plötzlich politisch wird
Doch was hat eine Jacke der UÇK nun am Rande eines Fussball-Spiels zu suchen? Xherdan Shaqiri, der als vierjähriges Kind mit seiner Familie aus dem Kosovo in die Schweiz geflüchtet ist, dürfte diesen Geist wohl ein wenig selber herbei beschworen haben.
In den letzten Jahren jubelten er sowie auch weitere Teamkollegen mehrfach mit der Geste des Doppeladlers, was eine klare politische Botschaft ist. Das zweiköpfige Wappentier steht für einen unabhängigen Kosovo, mitunter auch für ein «Grossalbanien».
Die Handbewegung zeigten Shaqiri, der damalige Nati-Captain Stephan Lichtsteiner (37) und Granit Xhaka (29) auch bei einem WM-Spiel im Jahr 2018 gegen die Serben, was für Schlagzeilen sorgte und den Spielern auch Bussen einbrockte.
Der Krieg hinterliess tiefe Wunden
Im Interview mit SRF erklärte Xhaka die Geste danach: «Ganz ehrlich, die Gegner waren mir sch...egal. Das war für die Leute, die mich immer unterstützten. Jene, die mich nie links liegen liessen. In meiner Heimat, wo die Wurzeln meiner Eltern sind. Das waren einfach pure Emotionen.» Später entschuldigten sich sogar noch alle drei Spieler, die den Doppeladler gezeigt hatten, öffentlich an einer Medienkonferenz für die Geste.
Dennoch: Die Wunden aus dem Krieg scheinen bis heute noch nicht ganz verheilt. Darüber sprach Shaqiri laut einem Artikel der «Aargauer Zeitung» auch schon offen darüber. Er erzählte, dass seiner Familie in der Heimat sogar die Häuser abgebrannt worden seien.
Auch die Justiz beschäftigt sich bis heute mit den tragischen Kriegsverbrechen von damals. Fast 22 Jahre nach dem Krieg begann Mitte September in Den Haag der erste Prozess vor dem Kosovo-Sondertribunal. Auf der Anklagebank sitzen ranghohe Funktionäre der UÇK sowie Hashim Thaci, der bis kurz vor seiner Verhaftung im November 2020 noch als Staatspräsident des Kosovo agierte. Ihnen werden von der Staatsanwaltschaft unter anderem Mord, Folter und Verbrechen vorgeworfen. Die Gräueltaten des serbischen Regimes wiederum wurden bereits vom Sondertribunal für das ehemalige Jugoslawien behandelt.
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