Die Fahne ist aufgehängt. Und jetzt beginnen die hitzigen Diskussionen: «Ich sage euch, das gibt einen Shitstorm!» – «Also mir ist das egal.» – «Das ist doch politisch, das würden viele nicht verstehen.»
Es geht darum, ob die Spieler des FC Iliria das Foto für den SonntagsBlick mit oder ohne Doppeladler-Geste machen sollen. Präsident Rrahim Dakaj ist baff: «Also bis vor ein paar Minuten war das okay. Aber gut, die Jungs sind mündig. Sie sollen selber entscheiden.» Er selbst hat kein Problem damit, die Geste zu machen, die an der WM 2018 nach den Toren von Xhaka und Shaqiri gegen Serbien zu einem Shitstorm geführt hatte. Sie würden sie ja nicht als Schweizer Nationalspieler machen, sondern als Kicker des FC Iliria, der als Klub für alle Albaner, die aus dem Territorium des ehemaligen Grossalbanien stammen, seit 2002 offiziell Spiele bestreitet. Und es hält sich hartnäckig das Gerücht, die Zweitliga-Spieler würden ihre Tore mit dem Doppeladler bejubeln.
Der Captain ist Futsal-Nati-Spieler
Alle verneinen. «Das ist wirklich nur ein Gerücht», sagt Captain Alban Jahiu. «Ich zum Beispiel mache entweder den Messi- oder den Ronaldo-Jubel.» Und der Unwille wird noch verständlicher bei der Frage, wer denn den Schweizer Pass habe: Die Mehrzahl der Hände geht in die Höhe.
Jahiu ist im Fussball-Nebenamt Futsal-Nationalspieler – der Schweiz. Nur schon deshalb habe er den Schweizer Pass unbedingt gewollt, schmunzelt er. Als er ihn hatte, erhielt er mit 28 sein erstes Aufgebot. «Ich bin fit wie eine Maschine», sagt der Mann, der in einer Fabrik für Elektronikteile bei der Qualitätssicherung arbeitet. Als er drei war, kam seine Familie in die Schweiz. Geboren ist er in Serbien, ganz in der Nähe der Grenze zu Nordmazedonien und dem Kosovo. Im Balkan die Übersicht zu behalten, ist selbst für die Menschen aus diesem Raum nicht immer einfach …
Gegen YB zu spielen, ist surreal
Jahiu ist offensiver Mittelfeldspieler. «Also ein Tor wollen wir gegen YB schon schiessen», sagt er. Das sei das Ziel. Und er könne sich gut vorstellen, das Tor selber zu machen. «Ich habe diese Saison in fünf Spielen viermal getroffen. Ich bin heiss!» Und nicht mehr als sechs Gegentreffer wollen sie kassieren.
Der FC Iliria ist dreimal solothurnischer Cupsieger geworden und durfte deshalb in der ersten Hauptrunde des Schweizer Cups mittun. Dreimal hatte man Losglück. Dreimal gings gegen Profiklubs. Es beginnt 2016 mit dem FC Schaffhausen, dem man 1:4 unterliegt. «Ich habe das Tor zum 1:2 gemacht, da wurde das Spiel plötzlich nochmals spannend», erinnert sich Alban. Es geht 2019 mit dem Match gegen Lausanne weiter, der 1:6 endet. Alban erinnert sich: «Vorne wirbelten die Neo-Nationalspieler Dan Ndoye – Mann, ist der schnell! – und Andy Zeqiri. Die waren zu gut.»
Und nun also YB, eine nochmals andere Dimension. Das Team aus der Champions League, der Bezwinger von Manchester United. Als das laut ausgesprochen wird, schlucken alle leer. Man spielt gegen die Mannschaft, die eben ManUtd geschlagen hat. Surreal!
Präsident rechnet mit 3000 Zuschauern
Kamen in den Spielen gegen die Challenge-League-Teams 800 respektive 900 Zuschauer, so sind bereits 2800 Tickets weg. «Es werden 3000 oder mehr kommen», sagt der Präsident. «Und ohne die Zertifikatspflicht würden mindestens 1000 mehr kommen, vielleicht auch 2000.» Er versteht seine Landsleute und deren Impf-Unwillen nicht: «So verpassen viele dieses einmalige Spiel!»
Es sei schlicht ein Traum, der Realität werde für den kleinen FCF Iliria, der auch schon in der 2. Liga inter gespielt hatte. Rrahim erzählt den Beginn der Story: «1991 kamen viele Kosovaren als Saisonniers in die Schweiz. Viele spielten Fussball – auch ich. Aber sie hatten keinen Verein. Eine Anfrage, uns beim FC Solothurn einzugliedern, wurde negativ beantwortet, weil zu wenige Spielfelder zur Verfügung standen. Also spielten alle irgendwo, viele bei Olympia Gran Sasso, einem mehrheitlich aus Italienern bestehenden Verein. Irgendwann wollte der Klub nicht mehr Meisterschaft spielen.» So wurde er albanisch. Und zum FC Iliria. Der Name steht für das antike Volk der Illyrer, eine Stammesgruppe, die bunt gemischt den Balkanraum bevölkerte. Heute steht der Klub für ganz viele Nationalitäten und hat in seinem Logo auch Schweizerkreuze und die Farben von Solothurn.
Und wie endet die Doppeladler-Debatte? Der Präsident lässt die Jungs entscheiden. Zwei von ihnen machen dann doch einen geteilten Adler. Präsident Dakaj sagt: «Also wenn wir tatsächlich ein Tor schiessen sollten, kann es aus den Emotionen heraus schon spontan einen Doppeladler geben. Bitte seid ihnen dann nicht böse.» Nein, natürlich nicht. Sie sind ja keine Schweizer Nationalspieler…