Geimpft, getestet oder genesen – ohne Zertifikat gibt es seit Wochenanfang nicht einmal mehr ein Bier in der Beiz. Doch machen sich Wirte, Puff-Betreiber und Hallenbäder wirklich die Mühe, dies bei jedem Einzelnen zu kontrollieren? Blick will es wissen und testet sich einmal quer durch das Mittelland.
Bepackt mit dem Ausweis und einem Handy mit vollem Akku geht es am Morgen direkt los: Die erste Station ist Aarau. Der Morgenkaffee ist unterdessen längst fällig, daher führt der Weg ins erstbeste Restaurant. Bestellt wird hier gleich an der Theke. Doch die Kellnerin scheint sich nicht für das Zertifikat zu interessieren: Sie serviert, ohne nachzufragen, den Kaffee. Einige Minuten später steht aber ihr Kollege auf der Matte und fordert alle Unterlagen ordnungsgemäss ein.
«Nein, ich vertraue Ihnen»
Im zweiten Lokal ist die Bedienung deutlich vifer: Schon vor der Bestellung will der junge Herr das Zertifikat sehen, scannt es jedoch nicht. Ausweis will er auch auf Nachfrage keinen sehen. Er sagt lächelnd: «Nein, ich vertraue Ihnen.»
Diese Art von Kontrolle ist so eigentlich nicht ausreichend. Um die Gültigkeit des Zertifikats überprüfen zu können, muss es gescannt werden. Zudem braucht es zur Identifikation zwingend einen gültigen Ausweis. Doch auch beim Mittagessen in einem Gasthof in der Region Aarau will die Kellnerin bloss das Zertifikat sehen – überprüft es aber nicht.
Erster Gast musste wieder heim
Die wohl älteste Wirtin der Schweiz, Theres Lustenberger (92) vom Restaurant Sonne in Benzenschwil AG, nimmt es da genauer. Im Gespräch mit Blick erzählt sie, sie habe den ersten Gast am Montagmorgen direkt wieder rausschicken müssen: «Er war geimpft, hatte aber keinen Ausweis dabei.»
Weiter geht die Reise in ein Aargauer Hallenbad. Ob man Blick-Journalisten hier, ohne ein Zertifikat gesehen zu haben, wohl ins kühle Nass lässt? Weit gefehlt! Die Kassiererin winkt direkt ab und besteht den Blick-Test so mit Bravour.
Sex gibts ohne QR-Code
Auch im Sauna-Sex-Club Freubad in Recherswil SO nimmt man es sehr genau. Kurios ist aber: Sex gibt es hier auch ohne Zertifikat, nur fürs Cüpli danach braucht es den Check! «Unsere Zimmer gelten als Hotellerie, und daher benötigen unsere Gäste dort kein Zertifikat. Auch im Garten dürfen sie sich frei bewegen. Ausserdem bauen wir jetzt gerade noch ein Aussenzelt auf, damit sich die Kunden ohne Zertifikat an kälteren Tagen da aufhalten können», erklärt Bademeister und Hauswart Thomy Baur (58). Lediglich für den Aufenthalt im Club- und Restaurant-Bereich müsse man entweder geimpft, getestet oder genesen sein.
Dass die neue Regelung am Montag weder im Aargau noch im Kanton Solothurn für Ärger sorgt, zeigt auch die Nachfrage bei den zuständigen Kantonspolizeien: Bis am Nachmittag mussten die Einsatzkräfte in diesem Zusammenhang nirgends eingreifen.
Nicht alle sind begeistert
In Langenthal BE scheint ebenfalls alles glatt zu laufen. In einem Restaurant im Zentrum überprüft das Personal die Angaben fachmännisch, doch die meisten Gäste sitzen sowieso draussen auf der Terrasse. «Wir haben alle das Zertifikat, aber das Wetter ist so schön», meint Gast Georg Wyss (79), der die neue Massnahme befürwortet. Anders sieht es Priska Rähmi (52), die ein kühles Blondes trinkt: «Ich habe noch kein Zertifikat. Jetzt lasse ich mich halt doch noch impfen, bin aber nicht wirklich überzeugt.»
Auch der Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (59) ist alles andere als überzeugt von der Zertifikatspflicht und sorgte darum in den letzten Tagen immer wieder für Schlagzeilen. Doch nun bleibt ihm nichts anderes mehr übrig: Gemäss Blick-Recherchen wird ab Dienstag – Montag war noch Ruhetag – auch in seinem Betrieb in Kandersteg BE der QR-Code gecheckt.