Es ist kein Geheimnis: Die Armee hat ein Soldatenproblem. Rund ein Viertel der Bestände werde bis 2030 fehlen, sagte Armeechef Thomas Süssli (55) kürzlich im Blick-Interview. Aus diesem Grund kündigte Bundesrätin Viola Amherd (60) an, einen obligatorischen Orientierungstag für alle einzuführen.
Doch was beeinflusst eigentlich, wie motiviert die jungen Schweizerinnen und Schweizer fürs Militär sind? Man unterscheide bei der Motivation der Rekruten und Soldatinnen zwischen Wehr- und Dienstmotivation, sagt Hubert Annen (59). Er ist Dozent für Militärpsychologie und Militärpädagogik an der Militärakademie der ETH Zürich.
Die Wehrmotivation, also die grundsätzliche Einstellung zur militärischen Landesverteidigung, werde stark von aussen geprägt. Hauptsächlich durch die Gleichaltrigen. «Befürworten diese das Militär, ob aus idealistischen Gründen oder bloss, weil sie Action und Fitness mögen, zieht das auch die anderen mit.» Umgekehrt sei der Effekt derselbe. Steige das Ansehen des Militärs, steige indirekt auch die Motivation der Rekruten.
Führungsperson zentral für Motivation
Sind die Rekrutinnen im Militär angekommen, zähle fortan die Dienstmotivation – die Leistungsbereitschaft des einzelnen Armeeangehörigen, seinen ganz persönlichen Beitrag zur militärischen Landesverteidigung zu leisten. «Gerade bei der Durchhalteübung der Rekrutenschule, wo die Bedingungen nicht gerade gemütlich sind, wird diese Motivation auf die Probe gestellt», sagt Annen.
Wichtigster Einflussfaktor für die Dienstmotivation sei die Führungsperson. «Hat eine Rekrutin das Gefühl, von den Vorgesetzten fair und unterstützend behandelt zu werden, ist sie viel eher bereit, mehr zu leisten als verlangt.»
Der Trend, den man aus der Businesswelt kennt: Positive Psychologie und Transparenz statt blinder Gehorsam. Ist die Zeit des sinnlosen Anbrüllens in der Armee also vorbei? «Natürlich gibt es immer Ausnahmen», sagt Annen. Doch arbeite die Armee auf einen sogenannten transformationalen Führungsstil hin, bei dem Sinnvermittlung gepflegt und individuelle Stärken gefördert werden. Schon bei der Kaderselektion werde darauf geachtet.
Ab Mitte 2023 wird eines der Forschungsprojekte der Dozentur Militärpsychologie in die Praxis umgesetzt: das Resilienztraining an Offiziersschulen. Ein mentales Training, das Führungspersonen unter anderem beibringen soll, ihre Emotionen zu kontrollieren, um auch kritische Situationen einfühlsam lösen zu können.