Es geschah in der Nacht vom 28. Dezember 2021: Der Abend nimmt eine böse Wendung – es kommt zu Gewalt und zu einem Polizeieinsatz. Mehr als zwei Jahre später finden Überwachungsaufnahmen aus der Schaffhauser Wohnung ihren Weg an die Öffentlichkeit. Die Bilder sind verstörend. Sie zeigen mehrere Männer, die auf Fabienne W. (40) einprügeln.
Die Hobby-Musikerin vermutet, dass es sich um eine gezielte Aktion handelte. Sie sei zu Einschüchterungszwecken in die Wohnung des Rechtsanwalts gelockt und verprügelt worden, erklärt sie gegenüber der Sendung «Rundschau» von SRF. Der Anwalt habe sie davon abbringen wollen, Anzeige gegen einen seiner Kumpel zu erstatten. Dieser soll Fabienne W. rund eine Woche zuvor vergewaltigt haben. Einer der an jenem Abend anwesenden Männer meldet sich nun in den «Schaffhauser Nachrichten» zu Wort. Die Zeitung nennt ihn Thomas. Thomas beteiligte sich nicht an den Gewalttaten, die in den von SRF gezeigten Überwachungsaufnahmen zu sehen sind, sagt er. Allerdings habe er tatenlos zugeschaut, wie er selbst zugibt.
In anderem Raum eingeschlafen
In der Tatnacht verbrachte Thomas in der Wohnung des Anwalts die ersten beiden Stunden allein mit Fabienne W. und kochte für sie laut eigener Aussage. Nach und nach stiessen der Anwalt und weitere Gäste hinzu. Thomas' Darstellung von dem, was danach folgte, unterscheidet sich wesentlich von Fabiennes Schilderungen. Der Anwalt habe diese nicht zu sich nach Hause gelockt, um sie von der Anzeige wegen einer Vergewaltigung abzuhalten, behauptet Thomas. Auch sei die Gewalt nicht in erster Linie von den Männern ausgegangen.
Den Anfang der Eskalation habe er selbst nicht miterlebt, erklärt Thomas. Er habe viel Alkohol getrunken und sei deshalb in einem anderen Raum eingeschlafen. Nach Mitternacht sei er schliesslich von Schreien geweckt worden. «Zuerst fühlte sich alles an wie ein Fiebertraum.» Drei Beteiligte hätten ihm später berichtet, Fabienne W. habe einem der Anwesenden ein Weinglas auf den Kopf geschlagen.
Verwüstung nach Kokainkonsum?
Fabienne W. habe sich plötzlich völlig untypisch verhalten, sagt Thomas. Wohl auch deshalb, weil sie zuvor Kokain konsumiert habe. «Sie hat wie im Rausch gehandelt, alle wären froh gewesen, wenn sie rausgegangen wäre.» Stattdessen sei sie immer wieder auf anwesende Männer losgegangen, habe sie geschlagen und im Haus viel Verwüstung angerichtet. Auch er selbst sei von ihr geschlagen worden.
Thomas behauptet, Fabienne W. sei mehrmals aus der Wohnung rausgebracht worden, aber immer wieder zurückgekehrt. Diese Aussage widerspricht dem Bericht zufolge dem Polizeirapport. Aus diesem gehe hervor, dass die Frau die Wohnung mehrmals habe verlassen wollen, aber von anwesenden Personen daran gehindert worden sei.
«Ich betrachte ihn als Mittäter»
Wie Fabienne W. gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten» erklärt, sei die Gewalt klar von den anwesenden Männern ausgegangen. «Ich habe sie nicht angegriffen, sondern mich gegen ihre Angriffe gewehrt.» Von Thomas sei sie überdies zum Kokainkonsum gedrängt worden. Als sie von einem der Anwesenden gewürgt worden sei, habe Thomas ihre Hand festgehalten und ihr beinahe das Handgelenk gebrochen. Fabienne W.: «Ich betrachte ihn als Mittäter.»
Thomas verliess die Wohnung des Anwalts schliesslich zusammen mit Fabienne W. und wählte den Notruf, worauf auch die Polizei eingeschaltet wurde. Fabienne W. fühlt sich vernachlässigt von den Strafverfolgungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren im Zusammenhang mit den Vergewaltigungsvorwürfen zweimal abbrechen wollen, erklärt sie. Die 40-Jährige fordert, dass das Verfahren rasch zu Ende gebracht und die Täter bestraft werden.
Der Schaffhauser Regierungsrat hat mittlerweile aufgrund der erhobenen Vorwürfe gegen die Strafverfolgungsbehörden eine externe Untersuchung angekündigt. Sie soll das Vorgehen der Schaffhauser Polizei in dem Fall überprüfen.