Sie wurde gegen einen Sessel geschleudert, zu Boden geworfen und geschlagen — was Hobbymusikerin Fabienne W. im Dezember 2021 erdulden musste, sorgte schweizweit für Wirbel. In der Wohnung eines Anwalts wurde sie angegriffen und bedroht. Offenbar ein Versuch, sie einzuschüchtern, weil sie gegen einen Kollegen des Anwalts, Anzeige wegen Vergewaltigung machen wollte. Den Fall machte die «SRF Rundschau» publik.
Die Hobbymusikerin W. erhob schwere Vorwürfe gegen die Schaffhauser Behörden: Die Peiniger seien den Ermittlern bekannt gewesen und trotzdem sollen sie diese mit Samthandschuhen angefasst haben. Infolgedessen fand laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Samstag auch eine Demonstration in Schaffhausen statt.
Ungeeignet als Anwalt
Nun wurden mehr Details über den involvierten Anwalt bekannt, in dessen Wohnung W. verprügelt worden war. Nach einem Bericht, der dem Schaffhauser Radiosender Munot vorliegt, soll der Anwalt im April 2022 von der Aufsichtsbehörde über das Anwaltswesen als «ungeeignet» eingestuft worden sein.
«Zusammengefasst erscheint es als fraglich, ob er aufgrund seines Verhaltens die Vertrauenswürdigkeit aufweist, die ihm vom Rechtsstaat sowie von den rechtssuchenden Personen in seiner Funktion als Rechtsanwalt entgegengebracht werden», zitiert der Sender Munot aus dem Bericht.
Besoffen im Gericht
Der Anwalt soll zuvor bereits einen Polizeiangehörigen belästigt haben. Er habe versucht, den Mann mit Nachrichten via Messengerdienst und andere soziale Netzwerke zu kontaktieren, und habe erst damit aufgehört, als er von der Schaffhauser Polizei ermahnt wurde. Die genauen Hintergründe, wieso der Anwalt unbedingt den Kontakt suchte, sind unklar.
Zudem würden weitere Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfacher übermässiger Alkoholkonsum sowie unangemessenem Verhalten gegenüber anderen Personen vorliegen. Unter anderem erschien er offenbar auch betrunken vor Gericht. Gemäss Bericht soll ebenfalls in dieser Zeit eine Strafuntersuchung wegen Anstiftung zu Körperverletzung vorgelegen haben.
Anwalt immer noch zugelassen
Damit kommt die «Schaffhauser Nachrichten» zum Schluss, dass die Behörden zumindest seit April 2022 über das angebliche Fehlverhalten des Anwalts Bescheid gewusst hätten. Bis heute sei jedoch eine Aberkennung des Anwaltspatentes nicht veranlasst worden.
Die Redaktion des Radiosenders Munot hatte die Aufsichtsbehörde mit den Vorwürfen konfrontiert. Diese verwies jedoch auf das Amtsgeheimnis und nahm deshalb in diesem konkreten Fall keine Stellung.