Mit Prosecco stossen Elsbeth Weibel (69) und Othmar Ammann (68) aus Thun BE im Zug nach Visp VS an – die Freude steht den beiden ins Gesicht geschrieben. «Wir haben heute extra einen Ausflug mit der Bahn gemacht, weil wir sehen wollten, ob der Speisewagen wirklich wieder offen hat», sagt die Rentnerin glücklich und nimmt den letzten Schluck von ihrem Cüpli. «Ich habe das vermisst und es jetzt sehr genossen.»
Während die Restaurants schon seit Ende Mai wieder Gäste bewirten dürfen, war der Stichtag für die SBB-Speisewaggons der 10. Juni. Die Bundesbahnen erklärten die Verzögerung mit dem «logistischen Aufwand», der für die Wiederinbetriebnahme notwendig sei. Konkret ging es da etwa um die Einsatzplanung des Personals, aber auch um Grossbestellungen bei Lieferanten.
Kleinere Karte und weniger Sitzplätze
«Wir haben unsere Gäste in den letzten sieben Monaten vermisst. Manche Gäste haben wir vorher ein- oder sogar zweimal am Tag gesehen. Jetzt freuen uns, dass wir sie wieder bedienen dürfen», sagt Moreno Cioncia (56). Er arbeitet als Regionalleiter bei der SBB-Tochtergesellschaft Elvetino, welche für die Bahngastronomie zuständig ist.
Die Corona-Regeln seien im Speisewagen dieselben, wie sie auch im Restaurant gelten würden. «Wir haben aktuell jedoch wegen des Schutzkonzeptes weniger Sitzplätze und haben daher eine etwas kleinere Karte», erklärt er. Doch das scheint die durstigen Pendler nicht zu stören: «Wir haben sehr gute Rückmeldungen erhalten.»
Pendler haben Speisewaggon vermisst
Im Speisewaggon des Zuges mit Endstation in Brig VS sitzt auch Hansruedi Fritz (77) aus Hinterkappelen BE. Er ist am Freitag – wie so oft – unterwegs nach Grächen VS in seine Ferienwohnung und meint: «In der letzten Zeit habe ich jeweils ein Bier im Rucksack mitgenommen und es dann im geschlossenen Speisewagen getrunken. Das war schon ein bisschen traurig.» Vor der Schliessung hätte das Personal seine Bestellung schon fast auswendig gekannt, meint er lachend: «Ich habe meistens den Cervelat-Salat genommen, der ist super!»
Auch die gelernte Köchin Silvia Schelbert (61), die aus Kreuzlingen TG zu Freunden ins Berner Oberland reist, sitzt im Bahn-Bistro. «Wenn man so weit reist, ist es schon angenehm, dass man hier ab und zu die Maske ausziehen und etwas trinken kann», meint sie.
Zur Feier des Tages ein Bier
Roberto Silvestrin (57) aus Salgesch VS geniesst hingegen vor allem die sozialen Kontakte im Speisewaggon. Der Mechaniker, der aktuell im Kernkraftwerk Gösgen SO arbeitet und fürs Wochenende heim fährt, gönnt sich zur Feier des Tages ein Feierabend-Bier und sagt: «Endlich kehrt wieder ein Stück Normalität ein!»
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