SBB-Planer zum Fahrplanwechsel 2025
«Jede Anpassung führt zu Gewinnern und Verlierern»

David Henny verantwortet den dichtesten Fahrplan der Welt. Sein oberstes Ziel: Dass alle Reisenden einen Sitzplatz haben.
Publiziert: 12:00 Uhr
|
Aktualisiert: 12:40 Uhr
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David Henny verantwortet mit seinem 50-köpfigen Team den neuen SBB-Fahrplan.
Foto: Kim Niederhauser

Auf einen Blick

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Peter AeschlimannRedaktor

Herr Henny, seit heute gilt der neue Fahrplan. Sie müssen sich wie ein Koch fühlen, nachdem er die Suppe aufgetischt hat. Nervös?
David Henny: Im Gegenteil. Wir haben sehr viel Energie in diesen Fahrplan gesteckt. Ich bin überzeugt, dass alles funktionieren wird.

Was könnte trotzdem noch schiefgehen?
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ein Feinschliff manchmal unumgänglich ist. Beim Personaleinsatz oder bei der Länge der Kompositionen zum Beispiel. Ziel ist, dass es auch nach dem Fahrplanwechsel genügend Sitzplätze für alle Kundinnen und Kunden gibt.

Irgendwer geht doch immer auf die Barrikaden, wenn sich etwas ändert. Wie intensiv dürfen Sie am Fahrplan schrauben?
Das ist klar geregelt. Die Kundinnen und Kunden können sich nach der Publikation des Fahrplanentwurfs bei den Kantonen zu Wort melden. Mittels dieser Rückmeldungen spüren wir die Stimmung im Land und erkennen, wo wir allenfalls nachbessern müssen.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn ein Zug plötzlich eine Minute vorher abfährt, stört das die Routine. Warum tun Sie uns das an?
Damit wir mehr Züge auf die Schienen bringen können. Die Bevölkerung wächst, immer mehr Menschen entscheiden sich für die Bahn, also benötigen wir mehr Sitzplätze. Zudem verändern sich die Bedürfnisse der Reisenden. So bauen wir auch Angebote aus, testen beispielsweise neue Nachtverbindungen im Fernverkehr. Und schliesslich führen auch Baustellen für den Unterhalt und den Ausbau zu Anpassungen im Minutenbereich.

Wie viel Verdichtung liegt überhaupt noch drin?
Heute sind 45 Prozent mehr Züge unterwegs als 1990. Die Infrastruktur ist im gleichen Zeitraum nur um 5 Prozent gewachsen. Wir haben also unbestritten grossen Handlungsbedarf, um mehr Kapazitäten zu schaffen. Das Parlament hat in den letzten zehn Jahren 20 Milliarden Franken gesprochen für den Ausbau des Bahnnetzes. Natürlich dauert es noch einige Jahre, bis alles realisiert ist. Auf einzelnen Linien gibt es heute schon Engpässe, dort versuchen wir, stets mehr und längere Züge einzusetzen.

Zur Person

Der gebürtige Lausanner David Henny (43) leitet noch bis Ende Jahr die Angebotsplanung bei den SBB. Der Politologe fand als Pendler während des Studiums zum ÖV, dabei interessierte ihn die Frage: «Wie bringt man die Menschen zur Bahn?» Zunächst arbeitete Henny bei der Postauto AG, seit 2008 bei den Bundesbahnen am Berner Hauptsitz. Dort führt er heute ein 50-köpfiges Team, das das Bahnangebot bis ins Jahr 2050 gestaltet.

Der gebürtige Lausanner David Henny (43) leitet noch bis Ende Jahr die Angebotsplanung bei den SBB. Der Politologe fand als Pendler während des Studiums zum ÖV, dabei interessierte ihn die Frage: «Wie bringt man die Menschen zur Bahn?» Zunächst arbeitete Henny bei der Postauto AG, seit 2008 bei den Bundesbahnen am Berner Hauptsitz. Dort führt er heute ein 50-köpfiges Team, das das Bahnangebot bis ins Jahr 2050 gestaltet.

Wenn wir schon bei den Zahlen sind: Wo herrscht am meisten Betrieb, wo am wenigsten?
Spitzenreiter ist Zürich HB mit über 1600 Abfahrten pro Tag. In Le Locle-Col-des-Roches im Kanton Neuenburg fahren täglich 12 Züge ab.

Welches sind die grössten Änderungen im neuen Fahrplan?
In der Westschweiz steht der grösste Fahrplanwechsel seit der Einführung der Bahn 2000 im Dezember 2004 an. Auf der Strecke Zürich–München fährt ein zusätzlicher Zug pro Richtung. Und zwischen St. Gallen und Sargans gibt es neu einen Halbstundentakt im Fernverkehr. Gespannt bin ich auf unser Pilotprojekt mit neuen Nachtverbindungen. An acht Wochenenden verkehren etwa Nachtzüge auf der Strecke Bern–Olten–Zürich Flughafen sowie an mehreren Wochenenden zwischen Freiburg/Sitten/Biel und Genf Flughafen.

Sie haben jetzt den Ausbau erwähnt. Wo wird abgebaut?
Es gibt keinen Abbau. In den vergangenen Jahren haben wir nur ausgebaut. Dennoch führt jede Anpassung zu Gewinnern und Verlierern. Wir wollen natürlich, dass möglichst viele gewinnen.

Wie viele Stunden investierten Sie für den neuen Fahrplan?
Unser Team besteht aus 50 Personen, die gemeinsam jährlich rund 100'000 Arbeitsstunden in die kurz-, mittel- und langfristige Angebotsplanung stecken. Demgegenüber steht die Zahl von 300 Millionen Stunden, die Reisende jährlich mit den SBB unterwegs sind. Es handelt sich also um gut investierte Zeit.

Und jetzt, da das Werk vollbracht ist, fühlen Sie sich als wandelndes Kursbuch?
(Lacht) Schön wärs. So sehr ich mich auch anstrenge, konnte ich mir bislang nicht sämtliche Abfahrtszeiten der rund 8000 SBB-Reisezüge, die täglich verkehren, merken. Schauen Sie also in der SBB-App nach, um sicherzugehen, dass Sie Ihren nächsten Zug erwischen.

Trotzdem, einfache Testfrage: Wann fährt der IC5 von St. Gallen nach Zürich?
(Überlegt lange) Jeweils zur Minute 28 und 58.

Stimmt. Und der Regio von Landquart nach Davos?
Da muss ich leider passen. Ein Zug der Rhätischen Bahn …

17 und 47. Themenwechsel: Zwischen Freiburg und Bern verkehren stündlich fünf Direktverbindungen. Von Basel nach Bern ist das Angebot viel kleiner. Weshalb?
Unter diesen fünf Verbindungen gibt es zwei S-Bahnen und ein Regioexpress. Das ist nicht vergleichbar mit Basel–Bern, wo viel mehr Kilometer dazwischenliegen.

Hat das nicht auch damit zu tun, dass Ihr Chef, Vincent Ducrot, mit dem Zug von Freiburg nach Bern zur Arbeit pendelt?
Das war schon früher so, lange Zeit, bevor er CEO wurde.

Neu wird ein IC von Bern nach Zürich auch am Bahnhof Wankdorf halten, also genau hier, wo Sie Ihren Hauptsitz haben. Ein Weihnachtsgeschenk an die Belegschaft?
Das machen wir, um die Züge ab Zürich morgens um 7.32 Uhr und abends um 17.31 Uhr ab Bern zu entlasten. Damit alle einen Sitzplatz bekommen. Das kommt allen Kundinnen und Kunden im Osten der Stadt Bern zugute, auch in Ostermundigen oder Zollikofen, nicht nur uns hier direkt beim Bahnhof Wankdorf. Ausserdem wird so der Bahnhof Bern entlastet. Wir rechnen mit 200 Menschen, die auf dieser Verbindung täglich ein- und aussteigen werden.

Der Nationalrat hat sich letzte Woche für neue Nachtzüge nach Europa ausgesprochen. Haben Sie überhaupt noch Platz dafür in Ihrem Fahrplan?
Herausfordernd dabei ist nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das fehlende Rollmaterial. Hinzu kommen zahlreiche Baustellen im Ausland, die hauptsächlich in der Nacht stattfinden mit erheblichen Auswirkungen auf den Nachtverkehr.

Apropos Nachbarn: Ärgert es Sie, wenn verspätete Züge aus dem Ausland Ihr perfektes Räderwerk ins Stottern bringen?
Es hat schon geschmerzt, dass wir im Sommer 2022 einzelne Direktverbindungen von Deutschland kappen mussten. Uns blieb aber keine andere Wahl. Die Situation war desolat.

Was ich noch nie verstanden habe: Warum fährt der IC eigentlich um 02 und 32 und nicht zur vollen Stunde von Zürich nach Bern. Anders wäre es doch viel einfacher …
Das hängt mit der Knotenstruktur des Bahnsystems zusammen. Um alle Anschlüsse im Stunden- oder Halbstundentakt anbieten zu können, kommen die Züge gebündelt nacheinander in den Bahnhof. Würden wir die Abfahrt vorlegen, schafften es nicht alle rechtzeitig in den IC, weil zu wenig Zeit zum Umsteigen bliebe.

Warum lassen Sie nicht einfach alle Züge zwei Minuten vorher gebündelt einfahren?
Das funktioniert nicht, ohne Auswirkungen auf dieses hochkomplexe Gesamtkonstrukt.

Ihr Fahrplan scheint ein ziemlich starres Monster zu sein …
Das Beispiel in der Westschweiz beweist das Gegenteil. Aber klar, es ist eine grosse Herausforderung, einen zusätzlichen Zug einzuführen unter den bestehenden Voraussetzungen. Wenn man bedeutende Anpassungen vornehmen will, braucht es den grossen Wurf.

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