Das taugt «Premyo»
Neues Rabattmodell für ÖV-Nutzer im grossen Test

Die Kantone Aargau und Solothurn haben ein neues Tarifsystem für den öffentlichen Verkehr eingeführt. Das könnte Schule machen – doch es profitieren nicht alle.
Publiziert: 11.12.2024 um 12:55 Uhr
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Wer im Kanton Aargau oder ...
Foto: Pius Koller

Auf einen Blick

  • Neues ÖV-Rabattmodell «Premyo» in Aargau und Solothurn getestet
  • Rabatte nur über App «Fairtiq», nicht für Automaten-Tickets
  • Bis zu 20 Prozent Rabatt ab 100 Franken ÖV-Ausgaben möglich
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Fabienne Niederer
Fabienne Niederer
Beobachter

Es ist ein Pilotprojekt, das Pendeln und ÖV-Nutzung vereinfachen soll. Das neue Tarifsystem in den Kantonen Aargau und Solothurn wirft aber noch Fragezeichen auf. 

«Premyo» heisst das neue Rabattmodell des Tarifverbunds A-Welle, das seit Anfang Dezember testweise ausgerollt wird. Eigentlich klingt es verlockend: Je öfter man mit dem ÖV fährt, desto günstiger wird der Ticketpreis.

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Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Ab einer Ausgabe von zehn Franken für ÖV-Fahrten gibt es zum Beispiel einen Rabatt von fünf Prozent, ab 60 Franken sind es 15 Prozent und ab 100 Franken sogar 20 Prozent. Vielfahrerinnen und Vielfahrer werden durch dieses Modell also belohnt. 

Der Beobachter schaut genauer hin: Wann greift dieses Tarifsystem wirklich? Und wird dieses System zum Vorbild für den landesweiten ÖV?

Werden «Vielfahrer» belohnt – oder Analogfahrerinnen benachteiligt?

Das neue «Premyo»-Modell gilt für einzeln gekaufte Fahrkarten, und nur wenn man sie über die ÖV-App «Fairtiq» bezieht. Die Passagiere zücken beim Einsteigen ihr Handy und öffnen die App. Diese berechnet die gefahrene Distanz – und damit, wie hoch der Rabatt ausfällt. So weit, so gut.

«Ein solches Rabattmodell ist grundsätzlich zu begrüssen», teilt Beat Niederhauser, Mediensprecher des Preisüberwachers, dem Beobachter mit. Die Kosten für analoge Lösungen seien vergleichsweise hoch, es sei daher gerechtfertigt, dass für diese kein Rabatt angeboten werde. 

Aber: Manche Passagiere müssen extra eine zusätzliche App installieren, weil «Fairtiq» zum Beispiel nicht in die SBB-App integriert ist. Das sei aus Sicht des Preisüberwachers problematisch: «Eine zusätzliche App macht es vor allem für ältere Menschen nicht einfacher.»

Für Billette, die altmodisch über den Ticketautomaten gelöst werden, gilt der Rabatt also nicht. Dazu ist das Angebot gedeckelt: Pendlerinnen und Pendler, die jeden Tag dieselbe Strecke nutzen, profitieren in den meisten Fällen mehr von ihrem gewöhnlichen Jahresabo – denn ab einem gewissen Totalbetrag greift «Premyo» nicht mehr.

Für wen sich die Rabatte tatsächlich lohnen, hat die «Aargauer Zeitung» vorgerechnet. Sie kommt zum Schluss: «Am meisten profitieren diejenigen vom Angebot, die regelmässig lange, unterschiedliche Strecken in der Region befahren.» Wenn man den Rabatt dann noch mit einem Halbtax kombiniere, lohne sich das Tarifmodell in der Regel am meisten. 

Budgetplanung und Datenschutz werden in Frage gestellt

Kritik gibt es auch von der Budget- und Schuldenberatung Aargau/Solothurn. Auf Anfrage schreibt sie: «Die Auszahlung und Berechnung der Rabatte ist unserer Meinung nach wenig nachvollziehbar.» Ein Budgetieren der Rabatte und damit der ÖV-Ausgaben sei deshalb kaum möglich.

Von den Budgetberaterinnen heisst es weiter: «Da alle Reisen in der App erfasst werden und ein Standort-Tracking erforderlich ist, hinterfragen wir den Datenschutz.» Personen, die künftig ohne App reisen möchten, würden von diesen Rabatten ausgeschlossen. «Für die am Automaten bezogenen Tickets müssen sie mehr bezahlen.» 

Rein mit dem Neuen, raus mit dem Alten

Bisherige Rabatte, die via Mehrfahrten- und Multikarten bezogen werden konnten, entfallen ab dem 15. Dezember. Grund sei die sinkende Nachfrage: «Seit 2020 ist eine gewisse Verlagerung weg von Abonnementen hin zu Billetten feststellbar», heisst es in einer Medienmitteilung.

Ob das neue Modell nun als Vorbild dient und bald vom Rest der Schweiz übernommen wird, bleibt abzuwarten. Die Betreiber bezeichnen ihre Neuerung selbst als «zukunftsweisend». Es wäre nicht das erste Mal, dass ein solches Modell nach einer lokalen Testphase auf das gesamte ÖV-Netz übertragen wird.

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