Auf einen Blick
- Kosten für Bahnausbau explodieren. Mehrkosten von 14 Milliarden Franken drohen
- Neuer Doppelstockzug kann nicht wie geplant schneller durch Kurven fahren
- Geplante Erhöhung der Sitzplätze um 20 Prozent bis 2035
Das ist eine bitterböse Überraschung! Die Kosten für den Ausbau des Bahnangebots bis 2035 explodieren geradezu. Budgetiert waren 16,4 Milliarden Franken. Der Nationalrat hat die Ausgaben bereits bewilligt, der Ständerat will in der nächste Woche startenden Wintersession darüber entscheiden. Nun aber haben sich die Vorzeichen unerwartet massiv verändert. Denn plötzlich drohen Mehrkosten von 14 Milliarden Franken.
Wie kommt es plötzlich zu solchen massiven Mehrkosten?
Das neue Angebotskonzept 2035 sieht neue Viertel- und Halbstundentakte auf rund 60 Bahnstrecken vor. Gleichzeitig soll die Zahl der Sitzplätze um 20 Prozent erhöht werden. Das Problem aber ist der neue Doppelstockzug: Er kann nicht wie ursprünglich vorgesehen schneller durch die Kurven fahren. Darum mussten die SBB und das Bundesamt für Verkehr nochmals über die Bücher.
Ihre Erkenntnis: Um die nötigen Zeitgewinne zu erreichen, sind weitere Infrastrukturausbauten nötig – und das geht ins Geld. Andernfalls aber wären künftig wohl etwa 15 Prozent der Züge verspätet. Noch am Wochenende hatte SBB-Präsidentin Monika Ribar (65) das Sorgenkind Dosto gegenüber den Zeitungen von CH Media als «sehr guten Zug» verteidigt.
Wie reagiert die Politik auf die Kostenexplosion?
Der Kosten-Schock erwischt die Politik auf dem falschen Fuss. «Ich bin ehrlicherweise sehr erschrocken», sagte etwa Mitte-Nationalrat Philipp Kutter (49) gegenüber Radio SRF. Als Präsident der Verkehrskommission sei er sich gewohnt, dass man gewisse Kostenüberschreitungen akzeptieren müsse. «Aber in diesem Ausmass, das hätte ich wirklich nie erwartet.» Für Kutter wirft dies Fragen dazu auf, wie genau im öffentlichen Verkehr geplant wird.
Überrascht zeigt sich auch Fabian Peter (48), Präsident der kantonalen ÖV-Direktoren: «Diese unglaublich hohe Zahl der Mehrkosten ist für uns ein grosser Schock.» Für den Luzerner FDP-Regierungsrat sind nun mögliche Handlungsoptionen zu prüfen, «denn so kann man das nicht einfach akzeptieren und stehen lassen».
Welche Folgen hat dieser Kosten-Schock?
Das ist noch nicht ganz klar. Gefährdet sein könnten beispielsweise die Tiefbahnhof-Projekte in Basel und Luzern. Beide Städte drängen darauf, im nächsten Ausbauschritt endlich berücksichtigt zu werden. Wenn der Bahn-Fonds nun aber stattdessen für den Netzausbau benötigt wird, könnte dafür kein Geld mehr vorhanden sein. Entscheiden muss letztlich die Politik.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Bund beim Bahn-Fonds eigentlich sparen will. Dagegen aber wehren sich die Kantone mit Händen und Füssen. «Wer nicht mehr investieren kann, der bleibt stehen», so Regierungsrat Peter bei Radio SRF. Im Frühling will der Bund hier die Weichen zusammen mit den Kantonen und Bahnen neu stellen.
Wie reagiert nun die Politik auf das Bahn-Debakel?
Die Verkehrspolitiker wollen nun zuerst vor allem weitere Informationen haben – und das rasch. Kutter will daher für die nächste Kommissionssitzung die Spitze des Bundesamtes für Verkehr sowie Bundesrat Albert Rösti (57) einladen. Parlamentarier hoffen nun darauf, dass die Beamten einen Ansatz finden, wie sie das zusätzliche Angebot zu schaffen ist, ohne gleich 14 Milliarden zusätzlich ausgeben zu müssen».
Tatsächlich hat das Bundesamt für Verkehr bereits angekündigt, dass das überarbeitete Angebotskonzept 2035 jetzt in- und extern überprüft werde. Dabei gehe es auch darum, Einsparmöglichkeiten zu prüfen. Denn die Finanzierung der Mehrkosten ist derzeit über den Bahn-Fonds nicht gesichert – und die Instandhaltung des bestehenden Netzes hat gesetzlich Priorität.
In die Bredouille bringt die neue Situation gerade auch den Ständerat. Er soll bereits kommende Woche über die Finanzierung der Bahninfrastruktur entscheiden und die nötige Finanzierung absegnen, nicht ganz einfach bei dieser plötzlich völlig unsicheren Ausgangslage. Ständeräte gehen denn auch von vielen Fragen an Verkehrsminister Rösti aus – und noch mehr Kritik.