Wenn der letzte Partygast zu Hause schlummert, wird es eng für die Züge, die ihn nach Hause gebracht haben. Der Bahnnation Schweiz fehlen die Abstellgleise. «Wir sind am Anschlag», sagt Thomas Isenmann, Geschäftsführer der Schweizerischen Trassenvergabestelle. Diese teilt den Bahnunternehmen wie zum Beispiel der SBB jeweils die Abstellgleise für ihre Züge und Lokomotiven zu. «Noch können wir alle Wünsche erfüllen, aber es gibt Probleme.» Isenmann und sein Team müssen unattraktivere Abstellgleise vergeben, die weiter weg vom Bahnhof sind. Wenn immer mehr Züge fahren, könnten Anträge künftig auch abgelehnt werden.
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«Beim Ausbau der Bahnstrecken wurde zu wenig beachtet, dass es auch Platz für die Züge braucht, wenn sie nicht fahren, zum Beispiel in der Nacht.» Das müsse jetzt korrigiert werden. «Im schlimmsten Fall kann sonst der geplante Fahrplanausbau nicht realisiert werden», sagt Isenmann.
«Niemand will Abstellgleise direkt vor seiner Haustür haben»
Die Abstellgleise werden bereits mit dem Fahrplan geplant. «Sind Abstellungen nicht möglich, so kann der entsprechende Zug im Fahrplan nicht gefahren werden, beziehungsweise er wird nicht eingeplant», so die SBB.
Bis Abstellanlagen ausgebaut werden können, müssen viele Hürden umfahren werden. «Niemand will Abstellgleise direkt vor seiner Haustür», schreibt die BLS. Bereits beschlossene Projekte könnten nicht umgesetzt werden, weil es Widerstand von Standortgemeinden oder Verbänden gibt, bestätigt auch das Bundesamt für Verkehr (BAV).
Das Problem geht ins Geld, so die BLS. «Wenn die Züge weiter weg von den Bahnhöfen abbestellt werden müssen, führt dies zu höheren Produktionskosten für die Bahnunternehmen.» Es gibt mehr Leerfahrten für Züge und Lokführer. Das bekommt auch der Steuerzahler zu spüren: «Im abgeltungsberechtigten Regionalverkehr führt dies zu Mehrkosten für die öffentliche Hand.»
Fehlende Prüfung
Grünen-Nationalrat Felix Wettstein (66) will vom Bundesrat nun wissen, wer für den Ausbau der Abstellgleise verantwortlich ist. «Ich befürchte, dass der Bund und die Bahnunternehmer gegenseitig aufeinander zeigen. So passiert nichts, und der Bahnausbau ist gefährdet.»
Beim Bund ist das Problem bekannt. Bei der Planung des Bahn-Ausbauschritts 2035 hätten aufgrund des frühen Planungsstandes die Abstellanlagen noch nicht vollständig geprüft werden können. So sei zum Beispiel nicht geklärt worden, ob die Abstellungen für die Verlängerungen von Zügen vorhanden sind.
Das BAV werde nun das Angebotskonzept 2035 vertieft betrachten und «diese wo nötig mit zusätzlichen Infrastrukturen sicherstellen.»