Sonntagsblick: Die Sommerferien haben begonnen. Verreisen Sie?
Franco V. Muff: Ja, nach Nordengland. An einen ruhigen Ort, wo ich seit Jahren hingehe. Ich versuche überlaufene Destinationen zu meiden, so gut es geht. Das rate ich allen, die in den Ferien Probleme umgehen wollen. Machen Sie einen Bogen um die grossen Rennstrecken!
Welche sind das?
Aktuell die Balearen, Ägypten und Griechenland. Reisen Sie da besser nicht hin. Oder Apulien in Italien. Aber auch Nordeuropa ist in den Sommerferien mittlerweile sehr gut besucht.
Was empfehlen Sie stattdessen?
Warum nicht mal eine Reise nach Belgien oder Holland anstatt Mallorca? Oder noch besser: Bleiben Sie im Sommer gleich ganz in der Schweiz und verreisen Sie eher im Frühling. Und noch ein Tipp: Ziehen Sie kleine Städte grossen vor.
Was sind die Probleme an viel besuchten Orten?
Es ist wie in einem überfüllten Restaurant: Die Qualität des Service lässt nach. Das betrifft die Unterkünfte, das Essen, die ganze Infrastruktur.
Gibt es Dinge, über die sich Schweizerinnen und Schweizer besonders häufig beklagen?
Die Sauberkeit! Ein ständiges Thema. Nicht nur im Ausland, auch in der Schweiz. Und Ferienwohnungen. Entweder hat es zu wenig Geschirr, oder es ist den Leuten zu dreckig.
Was raten Sie in so einem Fall?
Wenden Sie sich an die Rezeption. Deponieren Sie das Problem in einem netten Ton. Wenn das nicht hilft, dann würde ich mich an den Reiseleiter wenden und schliesslich an den Reiseveranstalter. Dieser muss innerhalb von 48 Stunden eine Lösung finden – sofern denn überhaupt ein Problem besteht. Dieser Ablauf ist aus rechtlichen Gründen zwingend. Wenn Leute sich jedoch aufregen, dass in der Hochsaison in einem Selbstbedienungsrestaurant ein paar gebrauchte Teller herumstehen, dann ist das zwar nicht schön, aber das gibt es nun mal.
Nerven Sie sich manchmal über Leute, die bei Ihnen reklamieren?
Nerven ist das falsche Wort. Es gibt aber sicherlich Fälle, bei denen ich eine gewisse Nonchalance vermisse. Man sollte sich nicht über jede Kleinigkeit aufregen, schon gar nicht in den Ferien. Wenn Leute auf einer Reise einfach alles schlecht finden, dann frage ich mich schon ein bisschen.
Was sind weitere Themen, die Sie als Ombudsmann beschäftigen?
Es kommen immer wieder Leute zu mir, die mit Airlines im Streit liegen. Wegen verschobener Flüge zum Beispiel. Oder weil das Gepäck verspätet oder gar nicht angekommen ist.
Was machen Sie dann?
Wir sind nicht die Ombudsstelle der Airlines. In gewissen Fällen bieten wir den Reisenden aber unseren Service an. Wir haben da so unsere Kanäle zu den Fluggesellschaften. Es gibt aber auch Airlines, zu denen haben auch wir keinen Zugang. Die sitzen das Problem einfach aus und denken sich: «Wenn wir der Ombudsstelle nicht antworten, dann geben die irgendwann Ruhe.» Wir können aber sehr hartnäckig sein, falls nötig!
Welche Airlines sind das?
Ich nenne keine Namen. Nur so viel: Meist sind es eher die «exotischen» Fluggesellschaften. Manchmal erstaunlicherweise jedoch auch etablierte.
Gibt es Bevölkerungsgruppen, die besonders häufig nörgeln?
Nach zehn Jahren als Ombudsmann erkennt man schon gewisse Tendenzen. Die behalte ich jetzt aber für mich. Es gibt sogar regionale Unterschiede.
Romandie versus Deutschschweiz?
Die verschiedenen sprachlichen Regionen spielen weniger eine Rolle. Lassen Sie es mich so sagen: Leute vom Land sind gelegentlich eher etwas komplizierter. Reisende aus schnelllebigen Städten wie Zürich oder Basel sind in der Regel meist an einer raschen Lösung interessiert. Sie diskutieren nicht ewig lange.
Haben Sie auch schon Anfragen abgelehnt?
Das passiert äusserst selten. Gerade kürzlich meldete sich eine ältere Dame, die schon dermassen auf hundertachtzig war, dass sie mich mit Ausdrücken unter der Gürtellinie eindeckte. Ich habe ihr dann gesagt: In diesem Ton kann ich nichts für Sie tun. Nichts tun kann ich auch bei Anliegen, die Buchungen bei Veranstaltern im Ausland betreffen – jegliche Verrechnungen in Euro oder anderen Währungen. Bei Flügen, die über Online-Anbieter wie Ebookers gebucht wurden, sind mir ebenfalls die Hände gebunden. Wir sind nur für die Schweizer Reisebranche zuständig.
Die Schweizer Branche zahlt auch Ihren Lohn. Wie unabhängig sind Sie?
Mir redet nie ein Veranstalter oder ein Reiseanbieter drein. Meine Aufgabe ist es, zwischen den Fronten zu vermitteln. Ich bin unparteiisch.
Sie behandeln jedes Jahr knapp 1000 Fälle. Wie viele können Sie klären?
Meistens können wir zwischen den Parteien schlichten. In etwa zehn Prozent der Fälle erreichen wir eine finanzielle Entschädigung für die Konsumenten in Form einer Auszahlung oder eines Gutscheins des Reiseanbieters. Nur in den allerwenigsten Fällen finden wir gar keine Lösung.
Was passiert dann?
Wenige landen vor Gericht. Andere einigen sich beim Friedensrichter.
Im Mai gehen Sie in Pension, nach mehr als zehn Jahren als Reise-Ombudsmann. Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Einfach fällt er mir nicht, denn mein Job gefällt mir. Aber irgendwann ist halt fertig. Vielleicht ist es dann auch mal schön, sich nur noch um die eigenen Probleme zu kümmern.
Gibt es Fälle, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
Da war diese Frau, die in ihren Ferien in Tunesien starke Verbrennungen am ganzen Körper erlitt, weil ein Service-mitarbeiter am Bain-Marie mit Sprit hantierte. Das hat mich selbst persönlich sehr betroffen gemacht. Auch wenn es eine grosse finanzielle Entschädigung gab – die Spuren am Körper bleiben. Und das ist traurig, weil ihr Leben weiterhin beeinträchtigt bleibt.
Gab es Situationen, in denen Sie in den Ferien selbst gern einen Ombudsmann in Anspruch genommen hätten?
Was ich nicht ausstehen kann, ist, wenn mich jemand über den Tisch zieht. Ich hatte aber selten grössere Probleme. Wohl auch, weil ich relativ relaxt bin. Einmal gab es in meinem Hotel in Grossbritannien ein grosses Problem mit der Wasserversorgung. Die Behebung dauerte sehr lange und wir wurden immer wieder vertröstet. Da kam der Moment, in dem man uns einen Gin Tonic ausgeben musste. Das Zimmer war zudem eher lausig und die Beleuchtung funktionierte nur teilweise. Vor der Abreise gab es dann ein längeres Gespräch.
Was kam dabei heraus?
Das Hotel sah ein, dass eine Preisermässigung zwingend ist. Deshalb mein wichtigster Tipp zum Schluss: Reden hilft fast immer.