«Ich hoffe immer, dass der nächste Tag besser ist»
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Long-Covid-Betroffene:«Ich hoffe immer, dass der nächste Tag besser ist»

Rätsel Long Covid – Betroffene erzählen von ihrem Leiden
«Ich hoffe immer, dass der nächste Tag besser ist»

Long-Covid-Betroffene leiden länger als sechs Monate. Das zeigen Studien, das zeigen Betroffene, mit denen Blick sprechen konnte. Nach wie vor liefert die Krankheit viel mehr Fragen als Antworten – doch Besserung ist in Sicht.
Publiziert: 10.06.2021 um 01:44 Uhr
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Aktualisiert: 10.06.2021 um 07:20 Uhr
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Licht und Schatten wechseln sich im Leben von Andrea F. derzeit ab: Schon ein langer Spaziergang ist derzeit ein Erfolg.
Foto: Valeriano Di Domenico
Fabian Vogt

Chantal Britt (52) und Andrea F.* (55) sind noch immer müde. Noch immer sind sie ein Schatten ihres früheren Ichs. Noch immer Long-Covid-Patientinnen. Als Blick vor einem halben Jahr mit ihnen sprach, waren die ehemals kerngesunden, erfolgreichen und sportlichen Frauen nicht in der Lage, alltägliche Dinge auszuführen, konnten keine 200 Meter rennen und hatten Mühe, im Büro mitzuhalten. Sie berichteten auch, dass sie kaum ernst genommen werden, weil Experten nicht an Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung glauben.

Und heute? «Es geht mir sicher besser als im Herbst», sagt Chantal Britt. «Aber noch lange nicht gut.» Sie erzählt von extremen Erinnerungslücken, die dazu führen, dass sie alltägliche Dinge neu lernen musste. «30 Jahre lang bin ich Auto gefahren. Und plötzlich hatte ich keine Ahnung mehr, welches das Gas- und welches das Bremspedal ist. Die Antwort googelte ich.» Ein anderes Mal sei sie an der Migros-Kasse gestanden und von der Kassiererin darauf hingewiesen worden, dass Früchte und Gemüse abgewogen werden müssen. «Ich wusste es nicht mehr!»

Studien wecken Hoffnung

Zu den neurologischen Schwierigkeiten kommen körperliche Probleme dazu. Britts Puls rast weiterhin nach wenigen Minuten Joggen auf 200 rauf. Auch monatelanges Ausruhen und Versuche, langsam das Lauftraining wieder aufzunehmen, hätten in der Hinsicht nichts gebracht. «Ich bin zehn Marathons gelaufen. Mehr werden es wohl nicht mehr.»

Zum Thema Long Covid sind noch unzählige Fragen offen. Antworten sind aber in Sicht. Allein die USA stecken über eine Milliarde Dollar in die Erforschung von Corona-Langzeitschäden. Und vor wenigen Wochen kamen zwei grosse Studien mit Zehntausenden Untersuchten zum Schluss, dass Long Covid zwar recht verbreitet ist, die schweren Fälle allerdings vor allem Patienten betreffen, die schwere Corona-Erkrankungen durchmachten und im Spital landeten.

Auch milde Verläufe sind problematisch

Allerdings können auch eher milde Verläufe problematisch sein, viele Betroffene klagen darüber, über Monate nicht an ihre gewohnte körperliche oder kognitive Leitungsfähigkeit heranzureichen, wie das Beispiel von Andrea F. zeigt.

Seit Frühling 2020 lebt die Biologin für die «guten Tage». «Letzte Woche gab es gleich drei davon, eine tolle Sache!» Ein guter Tag bedeutet für die ehemalige Volleyballerin und Langstreckenschwimmerin, wenn sie einen langen Spaziergang machen kann, ohne zusammenzubrechen.

Das ist Long Covid

Eine allgemeingültige Definition von Long Covid gibt es nicht. Mittlerweile hat sich die Fachwelt darauf geeinigt, Long Covid als «Langzeiteffekte einer Corona-Erkrankung» zu bezeichnen, egal wie schwerwiegend diese war. Langzeit bedeutet, dass Betroffene mindestens drei Wochen nach einer Corona-Infektion (bei milden Verläufen) oder Spitalentlassung (bei schweren Verläufen) noch an mindestens einem der bisher rund 50 bekannten Symptome leiden, die sie vor Corona nicht hatten. Am häufigsten treten chronische Müdigkeit und Kopfschmerzen, aber auch Geschmacksverlust, Konzentrationsschwierigkeiten oder Erinnerungslücken auf.

Eine allgemeingültige Definition von Long Covid gibt es nicht. Mittlerweile hat sich die Fachwelt darauf geeinigt, Long Covid als «Langzeiteffekte einer Corona-Erkrankung» zu bezeichnen, egal wie schwerwiegend diese war. Langzeit bedeutet, dass Betroffene mindestens drei Wochen nach einer Corona-Infektion (bei milden Verläufen) oder Spitalentlassung (bei schweren Verläufen) noch an mindestens einem der bisher rund 50 bekannten Symptome leiden, die sie vor Corona nicht hatten. Am häufigsten treten chronische Müdigkeit und Kopfschmerzen, aber auch Geschmacksverlust, Konzentrationsschwierigkeiten oder Erinnerungslücken auf.

Oder wenn sie Gespräche im Kopf behalten kann, ohne auf ihre Notizen schauen zu müssen. Wenn sie eine regelmässige Monatsblutung hat. «Ich freue mich an den kleinen Dingen. Grosse machen kann ich ohnehin nicht.» Sie sei nach wie vor verzweifelt und hoffe nach schlechten Tagen, «dass der nächste besser ist».

Viele Symptome, Schweiz wird aktiv

Die unterschiedlichen Symptome, welche Chantal Britt und Andrea F. beschreiben, sind typisch für das Krankheitsbild. Im Zusammenhang mit Long Covid wurden bisher über 50 Symptome diagnostiziert. Was dazu führt, dass Ärzte auch heute noch Mühe damit haben, die Krankheit zu diagnostizieren und bei Betroffenen ein Gefühl der Hilflosigkeit hinterlässt.

Um mehr zu erfahren, ist auch die Schweiz aktiv geworden. Die Politik behandelt in der Sommersession zwei Long-Covid-Motionen im Nationalrat. Spitäler und Kliniken haben multidisziplinäre Sprechgruppen mit verschiedenen Spezialisten gegründet, die sich umfassend auf Long-Covid-Patienten einlassen können.

Die grosse Hoffnung gegen die Krankheit ist derzeit aber die Corona-Impfung. Laut einer britischen Studie verschwanden bei 30 bis 40 Prozent der Long-Covid-Betroffenen die Symptome nach dem Piks. Der Glaube auf ein Ende des Leidens ist zurück.

* Name geändert

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