Auf einen Blick
- SRF engagiert Beratungsfirmen für Sparprogramm
- Stark betroffen: Wissenschaftsredaktion und Kultursendungen
- Bis 2029 muss die SRG rund 270 Millionen einsparen
Chaostage am Leutschenbach: Am Mittwoch verkündete SRF das Ende von «Gesichter & Geschichten» – im Sommer ist Sendeschluss. Keine 24 Stunden später der nächste Paukenschlag. Vor versammelter Presse präsentiert SRF-Direktorin Nathalie Wappler (57) zwanzig weitere Massnahmen: Bis Ende 2026 sollen 50 Vollzeitstellen gestrichen und acht Millionen Franken eingespart sein. Viele Sendungen werden gekürzt, umgebaut oder ganz eingestellt.
Das alles geschieht unter dem Schlagwort «SRF 4.0» – das Reformprojekt, mit dem das öffentlich-rechtliche Medienhaus sein Angebot abspeckt, umbaut, billiger macht. Und wie immer, wenn gespart wird, sind Beratungsfirmen nicht weit. Sie analysieren und zeigen auf, wo der Rotstift anzusetzen ist.
Big Four am Leutschenbach
Auch SRF hat Berater engagiert. «In einer früheren Phase wurde die Projektleitung von ‹SRF 4.0› durch die auf den digitalen Wandel spezialisierte Firma Nunatak beraten, beispielsweise bei Analysen der Organisationsstrukturen», teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Zusammenarbeit sei jedoch wegen der angespannten Finanzlage 2023 beendet worden. Blick weiss: Längst ist die nächste Beratungsfirma im Haus – Pricewaterhouse Coopers, kurz PWC.
Das Unternehmen gehört zu den «Big Four», den vier grössten Wirtschaftsprüfungsunternehmen der Welt. SRF bestätigt auf Anfrage, dass PWC seit Januar die Abteilung Produktion analysiert – und dass dies Bestandteil des Projekts «SRF 4.0» sei. Dafür würden die Berater «bei SRF punktuell Hotelarbeitsplätze nutzen». Noch bis März sollen sie sich den Sparplänen des SRF widmen.
Bei den jüngsten Sparmassnahmen diese Woche seien die PWC-Leute nicht involviert gewesen. Wie viel die Beratung durch die externe Firma kostet, verrät das Medienunternehmen nicht. Laut einem Branchenkenner stellen Strategieberater Tagessätze von 3000 bis 5000 Franken in Rechnung – je nach Auftrag, Teamgrösse und Erfahrung.
Zahlen zählen
Der gebührenfinanzierte Rundfunk steht politisch unter Druck. Am Horizont lässt die SVP mit ihrer Halbierungs-Initiative besonders dunkle Wolken aufziehen. Doch die Kritik am Service public reicht bis ins linke Lager.
Das bekommen auch die SRF-Mitarbeitenden zu spüren. Dort weht längst ein rauer Wind – kühl und zahlengetrieben. Man könnte sagen: Die Technokraten haben übernommen. Was nicht performt, verschwindet. Weshalb «G&G» eingestellt wurde? «Die Zahlen sind einfach schlecht», sagt eine gut informierte Quelle zu Blick. 2020 schalteten im Schnitt 200'000 Zuschauer ein, 2024 waren es noch 125'000. Dass die Sendung eine der letzten Bühnen für Kulturschaffende war? Das stimme so nicht.
Auch die Wissenschaftsredaktion von Radio SRF muss bluten: Der Personaletat soll um etwa ein Drittel schrumpfen – von 530 auf 180 Stellenprozent. Das «Wissenschaftsmagazin» fällt 2026 komplett weg. Wissenschaftsredaktor Christian von Burg fand auf Linkedin deutliche Worte: «Damit wird der SRF-Wissenschaftsredaktion das Herz herausgerissen.» Schliesslich seien deren Recherchen nicht nur fürs Fachpublikum relevant, sondern fänden auch in Formaten wie «Echo der Zeit», «Rendez-vous», «Tagesschau» und «10 vor 10» Verwendung.
Kritische Posts: gelöscht
Von Burgs Kritik schlug hohe Wellen und erntete über tausend Likes, Dutzende Wissenschaftler, Journalistinnen und Kommunikationsexperten bekundeten ihre Solidarität. Doch dann – einen Tag später – war sein Post verschwunden. Gelöscht. Auf Nachfrage sagt von Burg heute nur: «No comment.» Und das SRF wiegelt ab: Man nehme kritische Stimmen ernst, aber «Kritik am Arbeitgeber soll intern angebracht werden, nicht in der Öffentlichkeit». Am Freitag habe es Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden gegeben – «daraufhin haben die Mitarbeitenden die Posts gelöscht».
Werden die Kürzungen aus vorauseilendem Gehorsam vor der SVP vorgenommen? An einem internen Mitarbeiteranlass bestritt SRF-Direktorin Nathalie Wappler (57) energisch, dass die Sparmassnahmen aus Angst vor der Politik ergriffen werden. Sie wolle lediglich verhindern, dass der Abbau im Jahr der Abstimmung über die Halbierungs-Initiative erfolgen müsse.
Alles wird durchleuchtet
Hinter den Kürzungen bei SRF steckt in erster Linie Laura Köppen – Chefin der «Abteilung Audience» und Co-Projektleiterin des Sparprogramms «SRF 4.0». Ihre achtköpfige Arbeitsgruppe tüftelt an neuen Szenarien, analysiert, rechnet – und spurt damit die Sparbefehle der Geschäftsleitung vor, bei der sie selbst Mitglied ist. Köppen gehe dabei «sorgfältig und nach strategischen Grundsätzen» vor, heisst es von offizieller Stelle. Involvierte berichten, ihre Analysen seien fundiert, Köppen mache «unter schwierigen Bedingungen» einen guten Job.
Viele SRF-Angestellte indes empfinden Köppens «Leistungsbewertung» als Druck. Denn die Zahlenfee vom Leutschenbach und ihr Team aus Datenanalysten, Marktforscherinnen und «Process Owners» haben Zugang zu allen Redaktionen, durchleuchten sämtliche der über 500 SRF-Angebote und ermitteln, was beim Publikum ankommt oder nicht. Laut SRF achten sie dabei auf «die Wirkung bei der anvisierten Zielgruppe, die Wertschätzung beim Publikum oder die Zukunftsfähigkeit einer Sendung».
Köppen selbst formulierte es einst so: «Das Problem für SRF ist nicht, mehr zu machen, sondern sich zu fokussieren.» Die jüngsten Entscheide zu «G&G» oder dem «Wissenschaftsmagazin» offenbaren die neue Marschrichtung: Was nicht klickt, hat keine Zukunft. Oder wie SRF es formuliert: Die beiden Sendungen «entsprechen zunehmend weniger dem Nutzungsverhalten des Publikums».
Kürzungen sind nur der Anfang
Dabei war die jüngste Sparübung erst ein Vorgeschmack. Im Sommer will SRF bekannt geben, wo und wie zusätzlich zwölf Millionen Franken gestrichen werden. Und selbst das ist erst ein Etappenziel. Denn damit wird gerade mal das Budget bis 2026 «stabilisiert». Die eigentliche Zerreissprobe, die SVP-Halbierungs-Initiative, wird voraussichtlich im nächsten Jahr zur Abstimmung kommen.
Medienminister Albert Rösti (57) hat als Gegenvorschlag zur Initiative bereits angekündigt, die Radio- und Fernsehabgabe von 335 auf 300 Franken zu kürzen. Unter anderem deshalb muss die SRG, der übergeordnete Medienkonzern, bis 2029 rund 270 Millionen einsparen. SRG-Generaldirektorin Susanne Wille (50) rechnete kürzlich vor, dies könnte rund 1000 Stellen kosten.
Doch selbst Röstis Kürzungsplan könnte lediglich ein Vorbeben sein. Im Parlament wird über einen weitaus drastischeren Gegenvorschlag debattiert. Und sollte die SVP-Initiative angenommen werden, bekommen PWC und das Team von Laura Köppen erst richtig zu tun.