Sie arbeiten im Detailhandel, in der Gastronomie oder in Schulen, schuften im Gesundheitswesen, in Altersheimen oder Kitas, schmeissen den Haushalt und ziehen Kinder gross. Frauen leisten den Grossteil ihrer bezahlten und unbezahlten Arbeitszeit in der Sorge- und Versorgungswirtschaft, dem sogenannten Care-Sektor. Damit leisten sie einen grossen Beitrag zum Wohlergehen der gesamten Gesellschaft.
Trotzdem finden Fragen zu Arbeit und ökonomischer Situation von Frauen und zum Care-Sektor oft keinen Eingang in wichtige politische und wirtschaftliche Debatten.
Spende macht aus Wunsch Realität
Das will ein neuer Thinktank jetzt ändern: Economiefeministe, eine wissenschaftliche Plattform für feministische Ökonomie. «Vordenkerin unserer Plattform ist die Ökonomin Mascha Madörin, die seit Jahren zu Fragen des Sorge- und Versorgungssektors forscht und eine Pionierin in diesem Bereich ist», sagt Anja Peter (40), Co-Geschäftsleiterin von Economiefeministe. «Und dann gibt es seit langer Zeit Frauen aus der feministischen Bewegung, die häufig in freiwilliger Arbeit Wissen zur ökonomischen Situation von Frauen zusammengetragen haben und dabei an ihre Grenzen gestossen sind – zeitlich und finanziell.» Der Wunsch nach einer zentralen Plattform, wo dieses Wissen gesammelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, sei immer grösser geworden, so Peter.
Dank einer grosszügigen Spende wird aus Wunsch nun Realität. «Mit dem Betrag können wir unsere Geschäftsstelle drei Jahre lang finanzieren», so Co-Geschäftsleiterin Mirjam Aggeler (34).
Frauen verfügen jährlich 100 Milliarden Franken weniger Einkommen
Es sei zentral, ökonomische Zusammenhänge aus feministischer Perspektive sichtbar zu machen.
Denn die Wissenslücken haben verheerende Auswirkungen. «So werden etwa 70 Prozent des bezahlten und unbezahlten Arbeitsvolumens in der Schweiz im Care-Bereich geleistet – vor allem von Frauen», sagt Aggeler. «Obwohl dieser Sektor also ein riesiger und wichtiger Teil des gesamten Wirtschaftvolumens ausmacht, wird er faktisch aus dem ausgeschlossen, was als Wirtschaft zählt.» Mit Folgen für die Gesellschaft und die wirtschaftliche Positionierung von Frauen, die trotz gleich vieler Stunden Arbeit jährlich über rund 100 Milliarden Franken weniger Einkommen verfügen als Männer.
Economiefeministe soll Lücken füllen
Auch generell würden Lebensrealitäten von Frauen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene oft ignoriert. So etwa aktuell beim Entschluss des Ständerats, das Frauenrentenalter auf 65 Jahre zu erhöhen. «In der Botschaft war zum Beispiel nirgends die Rede davon, dass Frauen gleich viel Arbeit leisten wie Männer, aber trotzdem fast 40 Prozent weniger Rente haben», sagt Anja Peter. «Solche Versäumnisse zeigen, wie wichtig es ist, einen Fokus auf feministische Ökonomie zu legen und das Wissen in diesem Bereich weiterzuentwickeln, damit es auch als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Debatten dienen kann», ergänzt Mirjam Aggeler.
Feministische Sichtweisen auf ökonomische Verhältnisse füllen Lücken, die in klassischen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskursen klaffen. Mit Economiefeministe entsteht nun ein Ort, der dazu beiträgt, diese Lücken zu schliessen.