Auf einen Blick
- Pädo-Serientäter vor Gericht: Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft und Landesverweis
- Täter missbrauchte sieben Mädchen und acht Frauen, oft setzte er sie unter Drogen
- Opferanwälte: Opfer leiden an Belastungsstörungen und Depressionen seit dem Missbrauch
Eigentlich müsste der Pädo-Serientäter Miguel H.* (39) geschlagene 106 Jahre ins Gefängnis. Das sagte die Staatsanwältin am Donnerstag vor dem Bezirksgericht in Frauenfeld. Addiere man all seine Straftaten und deren Gefängnisstrafen, käme man auf 1272 Monate – oder eben 106 Jahre.
Die beiden Staatsanwältinnen führten in ihren Plädoyers am Donnerstag aus, wie schwierig es gewesen sei, für Miguel H. eine angemessene Strafe zu finden.
15 Jahre sind die Höchststrafe
Der aus Lateinamerika stammende Mann hat sieben Mädchen und acht erwachsene Frauen sexuell missbraucht, vergewaltigt, geschändet oder anderweitig geschädigt. Einen Grossteil seiner Opfer setzte er unter Drogen, mutmasslich Ketamin, und nahm sexuelle Handlungen an ihnen vor. Einige davon penetrierte er anal, vaginal und oral. Noch schlimmer: Oft filmte er sich dabei. Sein jüngstes Opfer war erst vier Jahre alt.
Auf seinem Handy und Computer wurden die Videos dann gefunden – so flog der Missbrauchsfall 2020 auf.
Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Dieser Mann gehört hinter Gitter – und danach für 15 Jahre aus dem Land verwiesen. Doch die Höchststrafe für seine Verbrechen liegt weit unter den berechneten 106 Jahren – bei 15 Jahren.
Darauf pocht nun die Anklage. Eine der Staatsanwältinnen wendet sich im Plädoyer ans Gericht: «Ich frage Sie: Kann die Höchststrafe von 15 Jahren wirklich zu viel sein? Ich glaube nicht.»
Nebst der Freiheitsstrafe soll Miguel H. die Opfer entschädigen. Es soll zudem ein Kontakt- und Annäherungsverbot geben.
«Das abgrundtief Böse»
Zwei Anwältinnen und ein Anwalt vertreten die 15 Opfer des Angeklagten, der von 2016 bis 2020 immer wieder Übernachtungsgäste seiner eigenen Töchter sexuell misshandelt hat. Einer der Anwälte nannte die Taten «das abgrundtief Böse». Und: «Mit ihm kam das Grauen in den Ort.»
Die Anwälte führen aus, wie dieser Fall die Familie und die Missbrauchsopfer belastet und mitnimmt. Einige leiden seitdem an Belastungsstörungen und Depressionen, bei anderen wird die Zukunft zeigen, was die Taten angerichtet haben.
Für den Beschuldigten haben sie wenig gute Worte übrig: «Er sagte immer wieder, dass es ihm leidtue. Aber eigentlich tut er sich vor allem selber leid», sagte eine Anwältin in ihrem Plädoyer. Tatsächlich sagte der Beschuldigte am Tag eins der Verhandlung nicht viel mehr als das. «Ich erkenne mich hier nicht wieder», gab er am Dienstag zu Protokoll. Die Taten, die mit Video belegt werden können, gibt er zu.
Kaum Reaktion und wenn, dann Tränen
Im Gegensatz zum ersten Prozesstag wirkte der Beschuldigte am Donnerstag mehrheitlich teilnahmslos. Wenn er eine Emotion zeigte, dann ein kurzzeitiges Weinen bei einigen Passagen der Plädoyers.
Einmal gab es kurz Aufruhr im Gerichtssaal. Weil einer der Opferanwälte viele seiner Sätze im Plädoyer mit «Herr H.» beendete und den Beschuldigten von der Seite demonstrativ anschaute, schritt die Täteranwältin ein: «Sie sprechen zum Gericht, nicht zu meinem Mandanten!» Der Opferanwalt darauf: «Und Sie unterbrechen nicht mein Plädoyer!»
Der Prozess am Bezirksgericht Frauenfeld geht am Dienstag weiter.
*Name geändert