Auf einen Blick
- Prozess gegen Pädo-Serientäter aus Thurgau beginnt vor Bezirksgericht Frauenfeld
- Beschuldigter zeigt Reue, bricht in Tränen aus während Befragung
- Miguel H. soll sieben Kinder und acht Frauen misshandelt haben
Ein Grossteil seiner Opfer war im Kindergartenalter. Die Jüngste war erst vier Jahre alt. Die Taten von Miguel H. (39), dem Pädo-Serientäter aus dem Thurgau, sind kaum zu ertragen. Seit Dienstagmorgen wird ihm am Bezirksgericht Frauenfeld nun der Prozess gemacht.
Insgesamt sieben Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren und acht erwachsene Frauen hat er misshandelt. Die Liste der Straftaten ist lang, die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen umfasst vierzig Seiten des Grauens. Sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Pornografie, Vergewaltigung, Schändung – alle mehrfach begangen und auch auf Videos festgehalten. Tag eins des Prozesses gegen Miguel H. steht am Dienstagmorgen ganz im Zeichen des Angeklagten und seiner Taten.
Er hat im Knast wieder geheiratet
In der Mitte des Saals platziert, direkt unter den Augen des Vorsitzenden Richters, spricht der Beschuldigte zunächst deutlich, er wirkt sehr gefasst. Auch einen Ehering trägt er – er habe vor einem Jahr wieder geheiratet. Seine neue Frau sei über sämtliche Taten informiert, sagt er. Für sie stelle das kein Problem dar. Kontakt mit seiner früheren Familie habe er keinen mehr. «Ich schreibe immer und schicke Geld, aber ich bekomme nie Antwort.»
Der Richter hält ihm jede einzelne seiner mutmasslichen Taten erbarmungslos vor. Er zitiert stundenlang aus der Anklageschrift – die teils kaum erträglich tief ins Detail geht. Oral, anal, vaginal soll H. in manche seiner teils noch sehr jungen Opfer eingedrungen sein – viele davon soll er unter Drogen gesetzt haben. Mit Ketamin soll er sogar seine eigenen Töchter ruhiggestellt haben, damit er über deren minderjährige Freundinnen herfallen konnte, die zu Besuch waren. Seine Ex-Frau erfuhr dasselbe Schicksal. Auch sie wurde unter Drogen gesetzt und misshandelt.
Ein Häufchen Elend vor dem Richter
Miguel H. windet sich während der Befragung auf seinem Stuhl, rutscht vor und zurück, fasst sich ins Gesicht. Kurz nach Beginn der Befragung bricht der Beschuldigte ein erstes Mal in Tränen aus. «Ich erkenne mich hier nicht wieder», sagt er schluchzend. «Das bin nicht ich.»
Jetzt sitzt ein Häufchen Elend vor dem Richter. Dieser sagt trocken: «Sie weinen jetzt, Herr H. Geht es? Können wir weitermachen?» Wortlos schiebt seine Anwältin Miguel H. ein Taschentuch zu.
«Wühlt Sie das auf, Herr H.? Wenn Sie alles wieder hören?», fragt der Richter ernst. «Ich übernehme volle Verantwortung dafür», sagt der Beschuldigte mit bebender Stimme und nassem Gesicht. Dann beginnt er fast unkontrolliert zu heulen. Nach nicht einmal einer Stunde muss die Verhandlung ein erstes Mal unterbrochen werden.
Danach erklärt sich der Beschuldigte. Einige Worte aus der Anklageschrift hätten ihn sehr stark an sein eigenes Schicksal erinnert. «Ich bin so geworden wie er. Das wollte ich nie. Ich bin jetzt leider auch ein Täter geworden.»
Wer dieser «Er» sein soll, wird nicht klar. Er sei in seiner Kindheit missbraucht worden, gibt der Beschuldigte an.
«Was auf den Videos ist, war ich»
Der Angeklagte ist mehrheitlich geständig. «Was auf den Videos ist, war ich», gibt er zu. Auch wenn er sich nicht mehr an alles erinnern könne, gibt der Beschuldigte an. Die meisten seiner Taten filmte der Beschuldigte. Die Videos tauchten im Rahmen einer Hausdurchsuchung im Herbst 2020 auf. Einige Straftaten streitet er auch ab – überwiegend die, zu denen es keine klaren Videobeweise gibt – und Details aus unbestrittenen Vorwürfen. Oft gibt Miguel H. an, sich nicht mehr genau an die Vorkommnisse erinnern zu können.
Der Beschuldigte versucht vor Gericht, Reue zu zeigen und Mitleid zu erheischen. «Es tut mir leid. Für das Opfer und die Familien», ist ein Satz, den man an diesem Morgen immer wieder hört. Auf ein Konto zahle er monatlich Geld ein. Dieses sollen seine Opfer irgendwann als Wiedergutmachung bekommen. Aber: «Was ich gemacht habe, ist schrecklich. Ich kann das nicht wiedergutmachen. Es tut mir leid.»
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Gefängnisstrafe. Wie lange diese sein soll, wird erst später bekannt werden. Weiter ist unter anderem eine Landesverweisung von 15 Jahren gefordert. Die Verhandlung gegen den Pädo-Serientäter geht am Donnerstag weiter.