Hat Gregory F. versucht, Petra B. zu vergewaltigen? Gericht beruft sich auf «in dubio pro reo»
Freispruch für Fitness-Coach!

Am Mittwoch steht ein Fitness-Coach vor dem Kreisgericht Rheintal. Er soll einer Frau erst ein dubioses Getränk verabreicht und sie dann während einer Massage zu vergewaltigen versucht haben. Er streitet alles ab.
Publiziert: 29.05.2024 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2024 um 17:32 Uhr
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Petra B. hat gegen den Bodybuilder und Personal Coach Gregory F. wegen versuchter Vergewaltigung geklagt. Am Mittwoch stehen die beiden vor Gericht.
Foto: zVg
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Sandro ZulianReporter News
29.05.2024, 17:18 Uhr

Zusammenfassung

Freispruch! Das Kreisgericht Rheintal in Altstätten SG befindet den beschuldigten Fast-Vergewaltiger Gregory F.* am Mittwoch für nicht schuldig!

Der 61-jährige Masseur, Therapeut und Bodybuilder soll Privatklägerin Petra B.* (58) mitten im Lockdown im Juni 2020 bei ihm zu Hause massiert haben. Plötzlich habe Gregory F. zwischen ihren Beinen gekniet und versucht, seinen Penis in ihre Vagina zu drücken. Ausserdem soll er seine Zunge in ihren Mund gesteckt haben. So die Version der Staatsanwaltschaft und die von Petra B.

Gemäss eigenen Angaben «spickte» Petra B. Gregory F. daraufhin vom Sofa und «bänglete» mit ihren Fäusten auf ihn ein. 

Gemeinsam hätten sie dann die Wohnung verlassen. Just in diesem Moment soll eine Nachbarin die beiden spontan noch zu sich eingeladen haben. Nach dem Zusammensein soll der Angeklagte gleichentags der Klägerin beim Zügeln geholfen haben. 

Der Beschuldigte und sein Anwalt erzählen eine ganz andere, bedeutend kürzere Geschichte. «Ich habe ihr eine Fussreflexzonen-Massage gegeben. Auf einmal ist sie ausgerastet.» Der Beschuldigte fühlt sich «zutiefst seelisch und menschlich gekränkt und herabgewürdigt».

Klägerin Petra F. sagte vor Gericht: «Ich bin heute noch stolz darauf, mich gewehrt und ihn angezeigt zu haben.»

«Solche Delikte gehören mitunter zu den schwierigsten Entscheidungen, die ein Gericht treffen muss. Wir waren nicht dabei und es gibt keine objektiven Beweise», sagte der vorsitzende Richter bei der mündlichen Urteilsbegründung. Keine Zeugen, keine Video- oder Fotoaufnahmen, keine forensische Untersuchung. Ein klassisches «Vier-Augen-Delikt».

Die Staatsanwaltschaft forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren, Geldstrafe und einen Landesverweis von sieben Jahren. Das Gericht folgte dem rechtsstaatlichen Grundsatz: «in dubio pro reo» – im Zweifel für den Angeklagten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

* Namen geändert

29.05.2024, 17:11 Uhr

Die Verhandlung ist geschlossen

Damit hat der Richter geschlossen. Wir danken für die Aufmerksamkeit und wünschen allseits einen schönen Tag. 

29.05.2024, 17:10 Uhr

Der Richter erklärt die Entscheidung des Gremiums

«Solche Delikte gehören mitunter zu den schwierigsten Entscheidungen, die ein Gericht treffen muss. Wir waren nicht dabei», sagt der vorsitzende Richter bei der mündlichen Urteilsbegründung. Er bezieht sich weiter auf den Grundsatz «in dubio pro reo» – im Zweifel für den Angeklagten. «Ausser den Aussagen der beiden Beteiligten haben wir keinerlei weitere Beweise.» Objektive Beweise, die die eine oder andere Version bestätigen oder zumindest stützen, gebe es nicht. 

Beide Seiten hätten derweil nicht mit Glaubwürdigkeit punkten können. «Bei Petra B. gab es viele Widersprüchlichkeiten. So gab es immer wieder Unstimmigkeiten in Bezug darauf, ob Frau B. den Penis wirklich gesehen hat, oder nicht.» Das könne man als nicht relevant abtun, «aber das ist es nicht.»

Auch auf der anderen Seite, jener von Gregory F., gab es viele Unstimmigkeiten, so der Richter. «Wir sind aber auch nicht voller Überzeugung, dass nichts vorgefallen ist.»

Falls man sich nun frage, warum die Staatsanwaltschaft überhaupt Anklage erhoben habe, gäbe es auch dafür eine Erklärung. Diese habe die Pflicht, Anklage zu erheben. «In dubio pro duriore» – im Zweifel für das Härtere. An Petra B. gewandt sagt der Richter: «Es ist nicht so, als würden wir Ihre Version gänzlich ausschliessen.»

29.05.2024, 17:02 Uhr

Freispruch!

Der angeklagte Gregory F. ist nicht schuldig. Das hat das Dreiergericht am Kreisgericht Rheintal entschieden. Die Klage von Petra B. wird auf den Zivilweg verwiesen. Gebühren und Untersuchungskosten bezahlt der Staat. 

29.05.2024, 17:00 Uhr

Urteil

In wenigen Augenblicken folgt das Urteil. 

29.05.2024, 13:44 Uhr

Urteil um 17 Uhr

Der Richter schliesst damit das Gerichtsverfahren ab. Das Dreiergericht zieht sich nun zur Beratung zurück. Das Urteil wird um 17 Uhr bekannt gegeben.

29.05.2024, 13:43 Uhr

Der Angeklagte darf das Schlusswort haben

Der Richter übergibt dem wegen versuchter Vergewaltigung beschuldigten Gregory F. das Wort. Dieser sagt: «Ich habe eine solide, sachliche Ausbildung im Heilberuf.» Laissez-fair gebe es bei ihm nicht. «Seit 15 Jahren habe ich eine wunderbare Kundschaft, das spricht für mich.» Die Privatklägerin habe ihn «zum Zügeln benutzt», sagt Gregory F. 

«Ich fühle mich zutiefst seelisch und menschlich gekränkt und herabgewürdigt.» So eine Tat hätte er niemals begangen. «Mein Vater hätte mich erschlagen!»

29.05.2024, 13:27 Uhr

Es sei eine «Konfabulation» gewesen

Von «Konfabulation» – das Füllen von Wissenslücken durch frei erfundene Begebenheiten – spricht jetzt auch der Anwalt. Er wirft der Klägerin vor, sämtliche Vorkommnisse, die in Richtung einer versuchten Vergewaltigung gehen, frei erfunden zu haben. Und auch das Verhalten der Klägerin nach der Tat sei nicht nachzuvollziehen. «Man geht nach so etwas nicht ein Cüpli trinken mit dem Beschuldigten. Man bittet nach so etwas nicht den Beschuldigten, einem beim Zügeln zu helfen.» Die Äusserungen der Klägerin seien zu widersprüchlich. Äusserungen seines Mandanten lobt er hingegen, da diese inhaltlich überzeugend und konsistent gewesen seien. 

29.05.2024, 13:19 Uhr

Anwalt dreht sein Plädoyer auf

Der Verteidiger dreht auf: Wie alles vonstatten gegangen sein soll, ob Petra B. den Penis gesehen hatte oder nicht, woher das orangefarbene Getränk kam, wie die Massage plötzlich in eine versuchte Vergewaltigung umgeschlagen sei – «All das ist vage und bleibt unklar!»

Sein Mandant habe sich hier eine Existenz, einen Kundenstamm und einen guten Ruf aufgebaut. «Nun soll sich mein Mandant ausgerechnet an Frau B. rangemacht haben? Es tut mir leid, aber das ist nicht wahrscheinlich.» Mit einer einzigen solchen Handlung würde sich Gregory F. seine ganze Zukunft verbauen. 

29.05.2024, 13:07 Uhr

«Mehr war da nicht»

Der Anwalt des Angeklagten führt aus, dass das Treffen in der Wohnung für seinen Mandanten nichts anderes war als ein geschäftliches Treffen. Er habe sich über potenzielle neue Kundschaft gefreut. Er zerpflückt die Aussagen der Privatklägerin Petra B. Die Äusserungen seien nicht konsistent. Es habe eine Massage gegeben, einen Gefühlsausbruch seitens der Privatklägerin «und mehr war da nicht», ist sich der Anwalt sicher. Dass die Klägerin dann mit dem Beschuldigten noch Cüpli trank und ihn beim Zügeln helfen liess «ergibt keinen Sinn und ist nicht logisch». Er zieht das Verhalten der Klägerin massiv in Zweifel. 

Wenn sich die Geschichte genau so abgespielt hat, wie sie der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft St. Gallen zu entnehmen ist, dann wäre das ein wahr gewordener Albtraum. Und doch wurde der mutmassliche Täter am Mittwoch freigesprochen. 

«Ich habe ihn an einem Sonntag im Mai 2020 kennengelernt», sagt Petra B.* (58) aus dem Rheintal zu Blick über Gregory F.* Die beiden sprechen auch über gesundheitliche Beschwerden und Gregory F. (61) informiert Petra B. über seine Dienstleistungen. Der Bodybuilder aus Österreich ist auch Naturheilpraktiker, Coach und Sportmasseur. 

«Tags darauf fragte ich ihn per Whatsapp, ob er Lust auf Brunch in einem Restaurant habe», sagt B. Sie wollte sich weiter mit ihm austauschen. Doch damals herrschte Pandemie, Gregory F. habe Petra B. überzeugt, bei ihm zu Hause zu brunchen. 

Dort soll Gregory F. der Frau ein Getränk angeboten haben: «Sicher fünfmal forderte er mich auf, dieses zu trinken. Es sei gut für mich, meinte er.» Nach einem anfänglichen Schwatz habe F. ihr eine Massage angeboten. Sie willigte ein. 

«Ich spickte ihn vom Sofa»

«Augen zu machen, zurücklehnen und entspannen», soll Gregory F. immer wieder zu ihr gesagt haben. Plötzlich seien ihre Glieder schwer geworden. «Ich habe mich kraftlos gefühlt und konnte mich nicht mehr wehren.» Dann habe sie etwas zwischen den Beinen gespürt und die Augen geöffnet: Der Masseur sei zwischen ihren Beinen gekniet und soll versucht haben, in sie einzudringen. Zudem habe er versucht, seine Zunge in ihren Mund zu stecken.

«Ich spickte ihn vom Sofa, kugelte mich zusammen», sagt Petra B. Dann habe sie sich körperlich und verbal zur Wehr gesetzt: «Er bot mir ein Glas Wasser zur Beruhigung an. Da bin ich mit den Fäusten auf ihn los.»

Ein paar Tage später zeigt Petra B. ihren blutunterlaufenen Arm dem Arzt. Der soll gesagt haben: «Sofort Anzeige machen.» Es sei nicht das erste Mal, dass ein Mann so etwas versucht habe, gibt sie an. «Nach dem letzten Mal habe ich einen Grundsatz gefasst: Ich lasse mich nicht mehr überrumpeln.»

Klägerin soll sich alles eingebildet haben

Anruf beim Beschuldigten Gregory F. Der Bodybuilder streitet alles ab. Der 61-Jährige erzählt eine ganz andere Geschichte.

Die Privatklägerin Petra B. habe eine «Affekt-Reaktion» gehabt, behauptet F. Aus dieser heraus habe eine «Konfabulation» resultiert. Der Begriff aus der Psychologie bedeutet: Füllen von Gedächtnislücken durch frei erfundene Begebenheiten.

Gregory F.s Version ist bedeutend kürzer: «Während der Massage ist sie plötzlich aufgesprungen und hat mir eine ‹Flättere› gegeben.» Sie soll noch gesagt haben: «Ihr Männer seid alle gleich!» Zur Beruhigung habe er ihr ein Glas Wasser angeboten, welches sie annahm. «Und dann war alles wieder gut. Wie weggeblasen!»

Beschuldigter soll des Landes verwiesen werden

Ein klassisches «Vier-Augen-Delikt»: Nur zwei Menschen haben gesehen, was wirklich vorgefallen ist. Es gibt kaum Beweise – das Dreiergericht in Altstätten muss sich auf Aussagen der Beteiligten verlassen. Eine grosse Herausforderung für die Rechtsprechung.

Bei der Verhandlung am Kreisgericht Rheintal wird Gregory F. versuchte Vergewaltigung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert zwei Jahre Freiheitsstrafe bedingt, eine Geldstrafe von knapp 8000 Franken sowie eine Landesverweisung von sieben Jahren. Gregory F. ist mehrfach vorbestraft. Zuletzt wurde er 2018 wegen Doping, Drohung und Übertretung des Betäubungsmittel- und Heilmittelgesetzes verurteilt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Namen geändert

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