Der Prozess um die Regenschirm-Tötung von Mels SG ist bizarr. Eine Polizistin, die den Beschuldigten Kevin P.* (20) kurz vor der Tat gesehen haben will. Ein Angeklagter, der sich angeblich an nichts erinnert. Und ein Gutachter, der mittlerweile nicht mehr lebt.
Doch der Prozesstag am Gericht Werdenberg-Sarganserland steckt nicht nur voller Überraschungen. Er ist auch emotional. Vor allem für die anwesenden Geschwister des getöteten Salvatore N.* (†45). Sie sind aus Italien angereist. Blick konnte in der Mittagspause mit Giorgia N.* (44), einer Schwester des Opfers, sprechen.
«Er wollte in der Schweiz sein Leben umkrempeln»
Sie muss immer wieder weinen. Die anderen Angehörigen, die neben ihr stehen, schaffen es nicht, etwas zu sagen. Giorgia N. erinnert sich: «Mein Bruder sagte mir, die Schweiz sei wunderschön. Und er hatte recht.»
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Sie holt aus und blickt zurück. «Er war in die Schweiz gekommen, weil er sein Leben umkrempeln wollte. Er wollte hier arbeiten. Er fand eine Arbeit. Es gefiel ihm.» Ihr Bruder habe hierbleiben wollen.
Doch es kam alles anders. Salvatore N. stirbt am 27. Februar 2022. Während des Fasnachtstaumels im Melser «Schäfli». Es ist ein gewaltsamer Tod. Gemäss Anklageschrift hat ihm der Beschuldigte mit dem Regenschirm je einmal in jedes Auge gestochen. Kevin P. ist dabei als rosafarbener Hase verkleidet. Und sturzbetrunken.
Giorgia N. sagt dazu: «Plötzlich, an einem Tag – da war alles vorbei. Der Angeklagte hat das Leben eines wunderbaren Mannes ausgelöscht. Eines Mannes, der altruistisch war, gebildet, tausend Freunde hatte.»
Sie betont: «Mein Bruder hat nie jemandem wehgetan.» Sie sagt unter Tränen: «Er löschte das Leben eines Sohnes einer Mutter aus, die alles unternahm, dass er gut aufwächst.»
Und: «Der Beschuldigte hat einen wunderbaren Mann getötet. Er hat uns Geschwister zu einem jetzt anderen Leben verurteilt.» Sie ringt um Worte: «Seinetwegen fliessen jeden Tag Tränen über mein Gesicht. Ich bin nicht mehr die gleiche Person.»
«Hinter Mord an meinem Bruder steckt bewusster Entscheid»
Sie trauert aber nicht nur um ihren Bruder, sie appelliert auch an die Schweizer Justiz: «Ich hoffe und wünsche mir, dass die Richter nicht nur die Gesetzesartikel im Blick haben, sondern auch die Moral nicht vergessen. Es ist nämlich nicht so, dass an einem Fest getötet wird.» Für sie ist klar: «Hinter dem Mord an meinem Bruder steckt ein bewusster Entscheid.»
Den Angeklagten Kevin P. jetzt im Gerichtssaal zu sehen, hält Giorgia N. kaum aus. Sie sagt: «Er ist schuld, dass mein Leben fertig ist.»
* Namen geändert