Der Bahnhof Wil SG, auf halbem Weg zwischen der Kantonshauptstadt St. Gallen und Winterthur, geniesst in der Ostschweiz keinen guten Ruf. Abends treffen sich rund um den Bahnhof Gruppen zum gemeinschaftlichen Trinken – auch Drogen werden konsumiert. Auf dem Parkplatz nebenan drehen Autoposer ihre Runden.
Immer wieder kommt es am Bahnhof und in der nahe gelegenen Wiler Allee zu Belästigungen oder gar Gewalt. Erst vor knapp zwei Wochen ging hier ein Mann auf Polizisten los und versuchte, einen davon zu würgen. Im Mai dieses Jahres wurden innert vier Tagen zwei Polizisten von Randalierern verletzt.
«Habe einen Pfefferspray und Alarm dabei»
«Manchmal fühle ich mich hier gar nicht wohl», sagt Sanne Kramer (31), Radiologiefachfrau aus Wil. Einmal sei sie sogar verfolgt worden – am helllichten Tag. «Seit diesem Vorfall habe ich einen Pfefferspray und einen Alarm dabei.»
Kramer würde mehr Polizeipräsenz und ein abendliches Alkoholverbot begrüssen. Eine solche Idee hatte ein SVP-Kantonsrat vor vier Jahren schon einmal.
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Gelassener sieht das Liliane Gimmi (70). Die Rentnerin hat in der Allee keine Angst, denn Angst sei grundsätzlich ein schlechter Ratgeber: «Ich bluffe dann jeweils ein bisschen und bin einfach bestimmt.» Für Gimmi ist wichtig, dass man Leute am Rande der Gesellschaft ernst nimmt und offen auf sie zugeht.
«Man muss mit ihnen reden und sie hereinholen.» Präventionsarbeit sieht sie als wichtigen ersten Schritt.
Politik will sich des Problems annehmen
Die Zustände rund um den Bahnhof in Wil sorgen in der Politik schon länger für Kopfzerbrechen. Die städtische SVP lancierte Mitte September eine Volksinitiative, um das Problem anzugehen.
Da die hiesigen Grünen dahinter aber Wahlkampf vermuteten, reichten sie vor wenigen Tagen eine Motion im Parlament ein. «Wir wollen, dass das Problem zuerst ganzheitlich betrachtet wird, bevor Lösungen ausgearbeitet werden», sagt Sebastian Koller (35) Sekretär der Grünen prowil zu Blick.
Präventionsdienst zusätzlich zur Polizei
Die Idee der SVP-Initiative unterstützt Koller: «Angedacht ist ein Sicherheits-, Interventions- und Präventionsdienst, der zusätzlich zur Polizei seine Runden dreht.» Der Dienst nach Luzerner und Zürcher Vorbild soll Präsenz markieren und eng mit den sozialen Diensten und der Polizei zusammenarbeiten.
Die SVP der Stadt Wil hat zwar die Motion der Grünen ebenfalls unterschrieben, erachten aber ihre Volksinitiative als probateres Mittel. Das Problem ist allseits bekannt, bei der Lösung scheinen sich die Parteien aber noch nicht ganz eins zu werden.