Rund 250 Menschen haben am Sonntag mit einer demonstrativen Gedenkfeier Abschied vom geschmolzenen Pizol-Gletscher genommen. Der einstige Gletscher hat in den vergangenen 120 Jahren rund 85 Prozent seiner Fläche eingebüsst - aus wissenschaftlicher Sicht bleibt nur noch ein eisfeld, das wohl bald ganz weggeschmolzen ist.
Seit 1850 sind in der Schweiz laut dem ETH-Glaziologen Matthias Huss mehr als 500 Gletscher verschwunden. Wie dem Pizol-Gletscher werde es in den kommenden Jahren vielen kleinen Gletschern ergehen. Hauptursache sei der vom Menschen verursachte Klimawandel.
Wo einst Eis bedeckte, herrscht nur noch Steinöde. «Es ist nicht mehr viel vom Gletscher da», sagte Huss. «Jedes Mal, wenn man kommt, ist es wieder schlimmer.» Jetzt wird der einst mächtige Eisstrom als erster Schweizer Gletscher aus dem Messnetz des Bundes gestrichen.
Geröll statt Eis
Kürzlich wurde etwa der Okjökull-Gletscher auf Island mit einer Trauerfeier «beigesetzt». Die einst mächtige Eismasse war auf eine Dicke von nur noch 15 Metern geschrumpft. Der Gletscher hat keine Kraft mehr, um sich noch vorwärtszuschieben.
In der Schweiz gibt es etwa 700 Gletscher, die kleiner als 0,1 Quadratkilometer sind. Bis 2050 dürften fast alle kleinen Gletscher verschwunden und zu Stein- und Geröllwüsten verkommen sein.
Notruf der Klimaforscher
Forscher haben im April eine Studie veröffentlicht, wonach die Alpen in 80 Jahren fast komplett eisfrei sein sollen. Laut einem am Sonntag veröffentlichten Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf waren die Jahre von 2015 bis 2019 die heisseste Fünfjahresperiode seit Beginn der Messungen vor rund 150 Jahren.
Um den Anstieg der Durchschnittstemperatur bis 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie im Pariser Weltklimaabkommen vor vier Jahren vereinbart, müssten die Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgase verfünffacht werden, sagte WMO-Generaldirektor Petteri Taalas.
Die durchschnittliche Temperatur weltweit sei in diesem Zeitraum um 1,1 Grad über jene der vorindustriellen Zeit gestiegen. In der vorherigen Fünfjahresperiode lag der Anstieg noch bei 0,2 Grad. «Alle Signale und Folgen des Klimawandels - der Anstieg des Meeresspiegels, der Eisverlust, das Extremwetter - sind stärker geworden», so der Bericht. (kes)