Mit roher Gewalt schlägt Steve P.* (†22) am 2. September 2020 im Wahn auf Giuliana R.* (†46) ein, schlägt ihren Kopf immer wieder auf den Fussboden, zum Schluss mit einem Metallkochtopf. Kurze Zeit später erliegt die italienische Nanny im nahen Kantonsspital ihren schweren Verletzungen.
Die Stadtpolizisten Andreas F.* (48) und Pascal T.* (29) müssen sich nun Ende November vor dem Kreisgericht St. Gallen verantworten. Sie hatten Steve P. gestellt und ihn mit zehn Schüssen aus ihren Dienstpistolen erschossen (Blick berichtete).
Nach Klinik-Entlassung ging P. auf Nanny los
Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich aber nicht nur mit den Stadtpolizisten. Laut Blick-Recherchen war Steve P. bis zum Tattag in stationärer Behandlung in der Psychiatrie St. Gallen Nord in Wil SG.
Nur Stunden vor dem Drama wurde er nach einem rund einwöchigen Aufenthalt offenbar aus der Klinik entlassen. Statt nach Hause ging Steve P. nach St. Gallen und berauschte sich im Park einer Kantonsschule, ehe er sich mit Kinderbetreuerin Giuliana T. ein wildfremdes Opfer aussuchte. Ein Drama, das auch der aus reichem Hause stammende Ostschweizer mit seinem Leben bezahlte.
Gegen Klinik-Ärzte wird ermittelt
Hätten die Psychiatrie-Ärzte die sich anbahnende Katastrophe vorhersehen können oder gar müssen? Genau diese Frage sollen nun neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft St. Gallen klären, welche die Recherchen von Blick «grundsätzlich» bestätigt.
«Die Staatsanwaltschaft wurde durch die Anklagekammer ermächtigt abzuklären, welche Personen der Psychiatrie St. Gallen Nord allenfalls eine strafrechtliche Verantwortung treffen könnte», sagt Leo-Philippe Menzel, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft St. Gallen. Und ergänzt: «Mögliche Delikte sind fahrlässige Tötung und Aussetzungen.»
Viele Details bleiben offen
Gegen wie viele Beschuldigte ein Verfahren eröffnet würde, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Weil es sich bei der Psychiatrie St. Gallen Nord um einen Kantonsbetrieb handelt, werden dafür weitere Ermächtigungsverfahren via Anklagekammer notwendig.
Die Klinik will auf Anfrage von Blick mit Verweis auf das Arztgeheimnis keine Fragen zur fatalen Entlassung beantworten. Auch der Anwalt von P.s Vater, der im Prozess gegen die beiden Stadtpolizisten als Privatkläger auftritt, schweigt. Sein Mandant wünsche sich keine Publizität.
Ein kranker Aussenseiter aus reichem Hause
Hintergrund: Steve P., der unter bipolaren und schizophrenen Störungen litt, wurde in den Jahren vor der Tötung an Giuliana R. mehrfach in die Wiler Psychiatrie eingeliefert. Zu seinen Erkrankungen kam laut Bekannten eine ausgeprägte Suchtthematik hinzu. So soll er neben Alkohol regelmässig Kokain, Heroin und Cannabis konsumiert haben.
Im Gegensatz zu anderen Süchtigen fiel er nicht durch Beschaffungskriminalität auf. P. soll von seinen Eltern ein monatliches «Taschengeld» in Höhe von 5000 Franken erhalten haben.
* Namen geändert