Hausfrau Martina D.* (38) wählt klare Worte: «Man wird sich eines Tages an Personen wie mich erinnern, die wie Schwerverbrecher vor Gericht gestellt wurden!» So wehrt sich die Mutter von vier Kindern am Kreisgericht See-Gaster in Uznach SG gegen eine Corona-Busse von 100 Franken, die wegen der Teilnahme an einer illegalen Veranstaltung gegen sie ausgesprochen wurde.
D. hatte im März 2021 zusammen mit rund 90 weiteren Personen einen Anlass von Corona-Skeptikern im Restaurant Älpli in Gommiswald SG besucht. Dies zu einem Zeitpunkt, als die Gastronomie wegen des Lockdowns landesweit geschlossen war (Blick berichtete). Obwohl der Älpli-Fall inzwischen gar vom Bundesgericht als Verstoss gegen die damals geltende Corona-Verordnung ausgelegt wurde, beharrt die Frau aus dem Linthgebiet auf ihrer Einschätzung der Dinge.
«Alle ducken sich vor dem Staat – wie in Nordkorea!»
Die Strafnorm sei gesetzeswidrig. Es gehe ihr um den Missbrauch von Macht und Grundrechten, führt sie vor Einzelrichter Markus Höfliger aus. «Alle ducken sich vor dem Staat – wie in Nordkorea oder der ehemaligen DDR», beklagt D., die zu ihrem Älpli-Besuch selbst keine Auskunft erteilen will. Von ihrem Unterstützergrüppchen im Saal erhält sie dafür zustimmendes Nicken.
Nicht aber von Richter Höfliger: «Wären wir tatsächlich in Nordkorea, könnten Sie sich heute hier nicht äussern. Sie wären längst irgendwo verschwunden», kontert dieser. Er verurteilt die Beschuldigte zu der Bezahlung der Busse. Weil die Massnahmengegnerin den ursprünglichen Strafbefehl nicht akzeptiert hatte, kommen aber noch happige 1330 Franken für Verfahrenskosten dazu. Der Schuldspruch ist noch nicht rechtskräftig.
Skeptiker lieferten Videobeweis gleich selbst
Die Begründung: Martina D. war auf Videoaufnahmen innerhalb des Restaurants klar zu erkennen. Ihre Teilnahme lässt sich daher schwerlich abstreiten. Ein Amateurfilmer unter den Skeptikern hatte die Älpli-Tagung aufgezeichnet und sie dann auf Youtube veröffentlicht. Ein klassisches Eigentor. Das gibt auch einer der Organisatoren des Anlasses, der als Zuschauer anwesend ist, zu. «Im Nachhinein war das nicht so schlau», sagt er zu Blick.
Der Videobeweis führte zu einer regelrechten Flut von Strafbefehlen: Allein im letzten Juni wurden 27 Personen wegen ihrer mutmasslichen Teilnahme verurteilt. Ein knappes Dutzend landete bislang vor dem Richter. Rund 20 Verfahren sind laut Auskunft der St. Galler Staatsanwaltschaft noch immer pendent, darunter jene gegen die Organisatoren und die Wirtin.
Ursin F. streitet Teilnahme vehement ab
Mit einem Freispruch endet dagegen das Verfahren gegen Ursin F.* (34). Der Handwerker fuhr zwar ebenfalls zur Veranstaltung im Älpli und figurierte auch auf der beschlagnahmten Teilnehmerliste. Doch er will das Lokal nicht betreten haben.
«Ich habe jemanden hingebracht, wollte aber selbst keinen Ärger. Es hatte so viel Polizei. Da war anzunehmen, dass die Sache doch nicht so legal war, wie es seitens der Veranstalter hiess», erklärt Ursin F. Stattdessen sei er lediglich im Supermarkt nebenan einkaufen gegangen. Entscheidend hier: Auf dem verfänglichen Skeptiker-Video ist er nicht zu erkennen.
Dritte Verhandlung platzt kurz vor Beginn
«Ihre Aussagen wirken nachgeschoben. Ich habe grosse Zweifel, dass ihre Schilderung der Wahrheit entspricht. Nichtsdestotrotz ist es möglich», sagt Richter Höfliger während der Urteilsverkündung zum Beschuldigten. Dem Staat sei es aber nicht gelungen, das Vergehen zweifelsfrei nachzuweisen, weshalb in der Sache nur ein Freispruch erfolgen könne.
Mit einem dritten Fall muss sich Höfliger gar nicht erst befassen: Die Beschuldigte in diesem Fall zieht die Einsprache gegen ihren Strafbefehl kurz vor Prozessbeginn zurück. Wohl wegen Aussichtslosigkeit – und um sich die Kosten zu sparen. Nicht zuletzt wegen der noch offenen Fälle ist aber davon auszugehen, dass sich das Kreisgericht See-Gaster nicht zum letzten Mal mit dem Restaurant Älpli befasst hat.
*Name geändert