Seit dem Ende der Sommerferien spitzt sich die Lage in den Schweizer Spitälern bedrohlich zu. So muss etwa der Thurgau Schwerkranke in andere Kantone verlegen, weil die eigenen Intensivstationen aus allen Nähten platzen.
Da es schweizweit an fachkundigem Personal fehlt, sind die Kapazitäten auf den Intensivstationen beschränkt. Aber: «Ein Hauptproblem sind für uns auch die Rückholflüge aus dem Ausland. Viele Patienten wurden schon und sollen noch eingeflogen werden», sagt der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (42) zu Blick. Dies verschärfe die Situation in den Spitälern zusätzlich.
Rega flog allein im August 21 Mal nach Pristina
Insbesondere auf dem Balkan erkrankten während der Sommerferien viele Menschen mit Wohnsitz in der Schweiz so schwer an Corona, dass eine selbständige Rückkehr bis heute unmöglich ist. Ambulanz-Jets stehen seither im Dauereinsatz, um die hierzulande versicherten Schwerkranken heimzufliegen.
Über Zahlen zu Rückführungen pro Land sowie Angaben zu Patienten gibt die Rega keine Auskunft. Blick konnte aber über das Tracking-Portal Flightradar24 die Flugaktivitäten der drei Rega-Ambulanz-Jets inoffiziell auswerten.
Das Resultat: Allein seit Monatsbeginn wurde die kosovarische Hauptstadt Pristina von der Rega 21 Mal angeflogen. Mit grossem Abstand folgen in der Spitaljet-Rangliste Skopje (Nordmazedonien, 9 Anflüge) sowie Belgrad (Serbien) und die beiden italienischen Städte Neapel und Brindisi mit jeweils vier Landungen.
Viele Rückholpatienten harren weiterhin im Kosovo aus
Die Rega-Auswertung deckt sich mit den Zahlen der Medicall AG. Sie organisiert im Auftrag von Schweizer Krankenkassen Rückholaktionen rund um den Erdball. In den Monaten Juli und August hat das Unternehmen insgesamt 55 Repatriierungen von Corona-Patienten durchgeführt.
18 Rückholaktionen mit Fliegern, Helis und Ambulanzen entfielen dabei auf den Kosovo und Nordmazedonien. Damit ist die Region bei Medicall trauriger Spitzenreiter.
Beunruhigend auch: Allein bei Medicall stehen weltweit derzeit noch 36 Corona-Rücktransporte auf der Warteliste. 20 der Patienten, also mehr als die Hälfte, liegen in Spitälern im Kosovo und in Nordmazedonien!
«Wir decken die Hälfte aller Krankenversicherten in der Schweiz ab. Dann gibt es noch weitere Patienten, die sich direkt bei der Rega melden. Sie können unsere Zahlen also um etwa den Faktor 2,5 hochrechnen», erklärt Martin Huser, Geschäftsführer von Medicall. Erfahrungsgemäss kämen etwa drei Viertel aller zurückzuholenden Corona-Patienten auf die Intensivstation.
Doppelbürger warten in Kosovo-Spitälern auf Hilfe
Wie die Lage vor Ort aussieht, ist schwierig abzuschätzen. Der gesamtkosovarische Spitaldirektor Valbon Krasniqi (49) bestätigt gegenüber Blick lediglich, dass derzeit Doppelbürger hospitalisiert seien. Wie viele es sind und ob es sich um Intensivpatienten handle, wisse er mangels Daten nicht.
Dass gerade der Kosovo als Hotspot heraussticht, kommt nicht überraschend. Die grosse Schweizer Diaspora nutzte den Sommer eifrig für Besuche in der Heimat. Zumeist in randvollen Fliegern und vollgepackten Bussen.
Der Kosovo kam auch als Balkan-Ballermann in die Schlagzeilen, weil dort besonders exzessiv und hemmungslos gefeiert wurde. Denn die Regierung hatte vor den Sommerferien praktisch sämtliche Corona-Beschränkungen aufgehoben. Auch gefälschte PCR-Tests sollen im Umlauf sein.
Kosovo wird von Corona-Welle überrollt
Die Konsequenz: Wegen der grassierenden Delta-Variante explodierten insbesondere im August die Infektionszahlen. Das Hauptproblem ist aber, dass nur etwas mehr als elf Prozent aller Kosovaren doppelt gegen das Virus geimpft wurden. Auch in der Schweiz haben sich überdurchschnittlich viele Menschen aus dem Balkan nicht impfen lassen.
Bei 40 Prozent der hierzulande hospitalisierten Corona-Patienten konnte der Ansteckungsort klar bestimmt werden. Davon hatten ihrerseits 80 Prozent ihre Ferien in Südeuropa verbracht, wie Corona-Taskforce-Vize Urs Karrer vergangene Woche mitteilte.
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