Mit der Quarantäneliste vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) war es für die Schweizer Tourismusbranche in etwa so, wie für die Amerikaner mit Donald Trump (74). Wenn der Ex-Präsident aus dem Weissen Haus getwittert hatte, mussten die Anleger, Journalisten und Politiker schnell reagieren. Die BAG-Quarantäneliste hatte die hiesigen Touristiker monatelang ähnlich im Griff. Wurde ein neues Land auf die Liste gesetzt, kamen die Reisebüros und ihre Kunden ins Schwitzen.
Im Sommer machte das BAG Schluss. Die Quarantäneliste für Risikoländer wurde durch das Covid-Zertifikat ersetzt. Wer geimpft, genesen oder getestet ist (3G-Regel), konnte in den letzten Monaten beruhigt in die Ferien verreisen. Ohne die Sorge, am Strand noch einen täglichen Blick auf die BAG-Liste werfen zu müssen.
Wird die Quarantäneliste wiederbelebt?
Doch schon bald könnte alles von vorne losgehen. Nicht in Washington – dort kehrt Donald Trump bis zu den Wahlen 2024 höchstens als Zaungast zurück. Die BAG-Quarantäneliste aber könnte schon im Herbst ein Comeback feiern. Weil die Corona-Fallzahlen bedrohlich ansteigen und erste Spitäler bereits wieder Operationen verschieben müssen, liebäugeln die Verantwortlichen mit der Wiederbelebung der Liste.
«Wir müssen uns ernsthaft überlegen, die Einreisequarantäne wieder einzuführen», sagte Lukas Engelberger (46), Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, in der «NZZ am Sonntag». Auch Gesundheitsminister Alain Berset (49) kokettiert mit der Idee. In einem Interview mit derselben Zeitung sagte er, dass man im Hinblick auf die Herbstferien überlegen müsse, was nötig sei. Unterschiedliche Szenarien seien denkbar. «Da könnte auch die Reisequarantäne wieder eine Rolle spielen», so Berset.
«BAG-Liste ist der Killer vom Tourismus»
Die Touristiker sind über diese Gedankenspiele überhaupt nicht erfreut. «Wir haben so lange gegen die Quarantäneliste angekämpft. Es darf auf keinen Fall passieren, dass die Liste wieder eingeführt wird», sagt Nicolo Paganini (55), Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands (STV). Die Quarantäneliste bezeichnet Paganini im Gespräch mit Blick als «Killer des Tourismus». Er spricht sich für die 3G-Reiseregel aus. «Diese funktioniert. Auch ungeimpfte Personen sollen weiterhin mit einem negativen Corona-Test reisen können, ohne dass sie hinterher in Quarantäne müssen.»
Globetrotter-Chef André Lüthi (61) stösst ins gleiche Horn. «Das BAG hat in den letzten Monaten einen guten Job gemacht. Eine Wiedereinführung der Quarantäneliste wäre aber ein Schritt zurück und würde das Ziel verfehlen.» Lüthi zeichnet ein düsteres Bild für seine Branche: «Wenn Länder wie beispielsweise Spanien oder Griechenland wieder auf eine mögliche Quarantäneliste kommen sollten, trifft das Reisende und Touristiker ganz hart. Viele Schweizer würden dann auf eine Reise verzichten.»
Bessere Kontrollen auf dem Landweg
Auch Lüthi befürwortet die 3G-Reiseregel. «Dafür müsste an den Flughäfen aber noch zuverlässiger kontrolliert werden. Und vor allem müsste man die Ferienrückkehrer und Einreisenden über Land in den Griff bekommen», sagt er. Ansonsten seien solche Massnahmen nicht glaubwürdig. Der Globetrotter-Chef gibt aber auch zu bedenken: «Das ist ein schwieriges Unterfangen ist, das ist mir schon bewusst.»
Der Reiseveranstalter Kuoni positioniert sich ebenfalls gegen die Liste. «Schon heute gelten mit der Testpflicht für alle erwachsenen, nicht geimpften Einreisenden auf dem Luftweg so strenge Regelungen wie für keine andere Branche», sagt Kuoni-Sprecher Markus Flick. «Wir sprechen uns entschieden gegen die Wiedereinführung der Quarantäneliste aus.»