Die Zahl der Hospitalisationen in der Schweiz steigt rapide an. Am Dienstag warnte Patrick Mathys, Krisenmanager des Bundesamts für Gesundheit (BAG), an einer Medienkonferenz, die Zahl der ins Spital eingelieferten Corona-Patienten habe sich seit Juli verdreissigfacht. Am Mittwoch sind über 26 Prozent aller Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt.
Eine Auswertung der BAG-Daten zeigt: Die Hospitalisierten sind deutlich jünger als noch in der ersten Welle. Die Altersgruppe der 40-59-Jährigen verzeichnet einen überdurchschnittlichen Anstieg, erst dahinter folgen die 60- bis 79-Jährigen. Die Anzahl ganz junger Patienten steigt ebenfalls an. Nur die Anzahl Covid-Patienten über 80 Jahre ist in den vergangenen Wochen gesunken.
Sorgen bereiten den Spitälern vor allem Reiserückkehrer. Bereits vergangene Woche sagte der Sprecher des Kantonsspital St. Gallen zu Blick, bei den Patienten handle es sich mehrheitlich um nicht geimpfte Ferienrückkehrer. Das beobachtet auch das BAG und die wissenschaftliche Corona-Taskforce des Bundes. Im neusten Bulletin der Wissenschaftler heisst es, mehr als ein Drittel der Hospitalisierten gebe zum Zeitpunkt der möglichen Ansteckung als Aufenthaltsort ein Land in Südosteuropa an – meist den Kosovo oder Nordmazedonien.
Lars Haefner, Präsident der Vereinigung Schweiz-Albanien, zeigt sich davon wenig überrascht: «Die Infektionszahlen sind beispielsweise im Kosovo viel höher. Leider werden dort Hygiene- und Abstandsregeln nicht so genau beachtet», sagt er zu Blick.
Deutlich weniger Geimpfte
Sorgen bereitet in diesen Ländern zudem das Impfen. Daten der WHO zeigen, dass die Impfquote deutlich tiefer liegt als in der Schweiz. In Nordmazedonien etwa sind bislang nur etwas mehr als 23.5 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, im Kosovo gar nur 11.4 Prozent.
Die Impfbereitschaft in den Ländern auf dem Balkan ist deutlich geringer als in Westeuropa. Lars Haefner sagt, dass die Informationen rund um die Impfung nicht alle Personen erreichen. Manche Migranten verfolgten keine Schweizer Medien und würden damit kaum erfahren, wie und wo sie sich impfen lassen könnten. Die Presse in Albanien motiviere zwar zur Impfung, das helfe aber in der Schweiz kaum. «Die Skepsis gegenüber dem Staat, beispielsweise beim Impfen, ist zudem aus historischen Gründen viel grösser. Der Staat hat daher Mühe, eine breite Kampagne zu lancieren und viele Leute zur Impfung zu motivieren», sagt Haefner.
Mehr Glaube an Verschwörungstheorien
Ein Bericht einer Forschungsgruppe der Universität Graz zeigt zudem auf, dass mehr Leute an Verschwörungstheorien glauben. Die Forscher gehen davon aus, dass in Westeuropa rund ein Viertel von zweifelhaften Theorien überzeugt ist. «Im Balkan hingegen sind es mehr als 75 Prozent der beobachteten Leute, die an eine oder mehrere der meistverbreiteten Verschwörungstheorien glauben.»
Das habe auch Auswirkung auf die Impfbereitschaft. Im Kosovo etwa gaben mehr als 50 Prozent der befragten Bevölkerung an, sich «unter keinen Umständen» oder «mit grosser Wahrscheinlichkeit» nicht impfen lassen zu wollen. Gerüchte, dass eine Impfung unfruchtbar machen könnten, halten sich hartnäckig. Das übertrage sich auch auf Ausländer in Westeuropa, heisst es im Bericht.
Auch in der Schweiz ist den Kantonen aufgefallen, dass sich vor allem Ausländer nicht impfen lassen wollen. Der Kanton Basel-Stadt hat deswegen ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem Menschen aus dem Ausland ihre Landsleute zum Impfen motivieren sollen. Und Bundesrat Alain Berset traf sich mit jungen Promis, welche auch die jüngere Generation zum Impfen motivieren soll. Mit dabei war auch Rapper und TV-Moderator Marash Pulaj (28), der die junge Generation abholen soll. Er gilt im Kosovo als TV-Star und grosses Vorbild.