Im Jahr 2003 ist die Welt in Oftringen AG noch in Ordnung. Die Kleinstadt wächst. Auch am Stadtrand, umsäumt von Wiese und Wald, wo Fredy Rauber (81) zu diesem Zeitpunkt seit über 20 Jahren zu Hause ist.
Ein neuer Nachbar zieht ins Quartier und baut angrenzend an Raubers Parzelle sein Haus. Der Nachbar bittet Rauber um ein Näherbaurecht, das es ihm erlaubt, bis zur Grundstücksgrenze hin zu bauen. Rauber willigt ein. Unter der Bedingung, dass ein bereits installierter Hydrant und eine Strassenlaterne auf seiner Parzelle auf dem Land des Nachbarn zu stehen kommen. «Im Grundbucheintrag wurde dies aber nicht schriftlich erwähnt. Das war ein Fehler», blickt Rauber selbstkritisch zurück.
Der Nachbar nutzt das Näherbaurecht bis auf den letzten Zentimeter – und, laut Rauber darüber hinaus. In den folgenden Jahren kommt es immer wieder zu Grenzüberschreitungen. Mal ragt das Dach eines Unterstandes deutlich über die Grundstücksgrenze hinaus, mal wird eine Grenzmauer ohne Zustimmung der Nachbarn abgetragen oder durchbohrt. «Und das alles, ohne mich zu informieren», echauffiert sich Rauber. Er konfrontiert den Nachbarn immer wieder damit, gelangt aber mit seinen Beschwerden nicht an die Behörden, um den Frieden zu wahren.
Ein Hydrant brachte das Fass zum Überlaufen
Das ändert sich 18 Jahre später, im Jahr 2021, als das Elektrizitätswerk Oftringen (EWO) vor Raubers Tür steht. Die Laterne auf der Parzelle des Nachbarn solle versetzt werden, erklärt das EWO. Ausgerechnet auf sein Grundstück. «Trotz der getroffenen Abmachung», sagt Rauber. In Gesprächen mit den Beteiligten versucht er, eine Lösung zu finden.
Rauber habe mehrmals verlangt, dass ihm die Entscheidung schriftlich zugestellt wird. Ohne Erfolg. Wenige Tage später nimmt das EWO die angekündigten Änderungen vor. «Ohne meine Zustimmung, Baueingabe oder Einsprachemöglichkeit», so Rauber.
Vorwurf der Vetterliwirtschaft
Er schreibt eine ausführliche Beschwerde an die Besitzerin des EWO, die Gemeinde Oftringen. Rund einen Monat später erhält Rauber die schriftliche Antwort darauf. Pikant: Beim Absender handelt es sich um ein Geschäftsleitungsmitglied des EWO, das gleichzeitig ein naher Verwandter des Nachbarn ist. «Der Verwandte war bei mehreren Begehungen und Gesprächen vor Ort als Verantwortlicher des EWO dabei», sagt Rauber.
Im Schreiben behauptet das EWO, dass Rauber und seine Familie mit den vorgeschlagenen Änderungen einverstanden gewesen seien. «Stimmt nicht», wehrt sich Rauber, «als über mein Grundstück entschieden wurde, waren meine Kinder, denen das Haus heute gehört, bereits weg.» Rauber verlangte direkt nach der Begehung eine schriftliche Erklärung des EWO. Er wartet bis heute noch darauf.
Maulkorb für Rauber? «Ohne mich!»
Nachdem Blick das EWO mit den Vorwürfen konfrontiert, geht es schnell. Man habe alles, so das EWO in einer Mail an den Blick, mit Herrn Rauber «einvernehmlich besprochen». Man habe Lösungen gefunden, die den Wünschen und Ansprüchen von Herrn Rauber gerecht würden. Im Gegenzug habe sich Rauber dazu verpflichtet, dem Blick die Publikation des Sachverhaltes zu untersagen. Die vom Blick gestellten Fragen – zu den familiären Verstrickungen und nicht erhaltenen schriftlichen Entscheidungen – würden sich «damit erübrigen.»
Nur: Rauber hat sich, laut eigenen Aussagen, nie zu Stillschweigen verpflichtet: «Ausserdem sind die vorgeschlagenen Lösungen schwammig und nicht konkret.» Das lässt er das EWO in seiner schriftlichen Antwort auch wissen. Er schreibt: «Ich will, dass es endlich zu einem Ende kommt, darum habe ich mir jetzt Hilfe geholt. Das ist mein Recht.»
Aktuell kämpft Rauber an zwei Fronten. Zum einen trägt er einen Kampf gegen das EWO aus, zum anderen, läuft aktuell ein juristisches Verfahren wegen des, aus Raubers Sicht, mehrfach überschrittenen Näherbaurechts. Gerne hätte Blick auch den Nachbarn mit der Geschichte konfrontiert, dieser war aber nicht zu erreichen.
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