Nach Eklat um Ex-Präsidentin Nicole Ruch
Wie der Schweizer Tierschutz aus der Krise finden will

Der STS will endlich aus der Krise finden. Dafür soll jetzt die Organisation umgekrempelt und ein neuer Präsident installiert werden. Ein bekannter Tierrechtsexperte ist schon in Lauerstellung…
Publiziert: 27.10.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2024 um 08:27 Uhr
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Ein Hundewelpe wartet auf neue Besitzer.
Foto: STS

Auf einen Blick

  • Hinter den Kulissen gleist der Tierschutz den Neuanfang auf
  • Eine Reformgruppe hat neue Statuten erarbeitet
  • Im März soll ein neuer Präsident gewählt werden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Die bedeutendste Tierschutzorganisation des Landes kehrt an den Ort ihres grössten Eklats zurück: Im 4-Sterne-Hotel Arte in Olten SO soll am 16. November der Grundstein für einen Neuanfang des Schweizer Tierschutzes gelegt werden. Ausgerechnet dort, wo die Sektionen des STS Ende Januar Ex-Präsidentin Nicole Ruch aus dem Amt gedrängt haben – die Bankerin stürmte unter Buhrufen aus dem Saal.

Nun hat eine Reformgruppe neue Statuten erarbeitet. Der Entwurf, der Blick vorliegt, soll am Treffen in Olten besprochen und bereinigt werden. Mit dem Ziel, dass die Sektionen das neue Fundament des STS an ihrer Delegiertenversammlung im März 2025 absegnen.

Hinter verschlossenen Türen

Für das Oltener Treffen sind alle Regionalverbände angehalten, mit je einem Vertreter zu erscheinen. Der Anlass findet in drei Wochen statt – hinter verschlossenen Türen: Die Medien müssen draussen bleiben.

Im Einladungsschreiben betont die neue STS-Spitze, es gehe darum, einen «Kulturwandel» herbeizuführen: «Durch die grundlegenden Änderungen wollen wir das Vertrauen der Öffentlichkeit und unserer Mitglieder zurückgewinnen.»

Im Juni 2023 hatte Blick gravierende Missstände beim Schweizer Tierschutz publik gemacht. Vertrauliche Dokumente zeichneten das Bild einer millionenschweren Organisation mit autoritärem Führungsstil, einer Kultur der Intransparenz – und kräftezehrendem Streit auf der Führungsebene.

Tempi passati? Hinter den Kulissen bemüht sich der STS, die Affäre aufzuarbeiten. Eine interne Arbeitsgruppe um den bekannten Tierrechtsexperten Peter V. Kunz durchleuchtet die Vorstandsgeschäfte der letzten acht bis zehn Jahre. Besonders die Präsidialzeit von Nicole Ruch steht dabei im Fokus. Die Bielerin war unter anderem mit überrissenen Spesenabrechnungen aufgefallen. Seit über einem Jahr läuft zudem eine Strafuntersuchung der Basler Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen STS-Vorstand wegen möglicher finanzieller Verfehlungen.

Mehr Mitspracherecht für Sektionen

Neue Statuten sollen nun die Wende bringen. Der Entwurf enthält wesentliche Änderungen in der Verbandsstruktur, etwa bei Aufgabenverteilungen und finanziellen Regelungen. So soll in Zukunft eine klare Trennung zwischen dem operativen und dem strategischen Geschäft gewährleistet sein, der Vorstand verkleinert und dessen Amtszeit beschränkt werden. Die Sektionen sollen mehr Mitspracherecht erhalten und die Rechnungen transparenter ausgewiesen werden.

Vor allem vom letzten Punkt erhofft sich die Reformgruppe, dass der Schweizer Tierschutz baldmöglichst von der schwarzen Liste der Zertifizierungsstelle Zewo gestrichen wird. Diese rät zurzeit von Spenden an den STS ab.

Recherche-Hinweise

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Als Grundlage für den Statuten-Entwurf diente eine Umfrage bei den rund 70 Sektionen des STS. Laut CH Media sah die überwiegende Mehrheit der Regionalverbände grossen und dringenden Reformbedarf. Mehr als 90 Prozent von ihnen forderten eine transparente Jahresrechnung und eine ordentliche Revision, 86 Prozent wollen Interessenkonflikte verhindern, 78 Prozent verlangen die «lückenlose externe Aufarbeitung vergangener Ereignisse» und 72 Prozent wünschen eine Zewo-Zertifizierung.

Die Totalsanierung des Verbands macht auch vor dem amtierenden Präsidenten Piero Mazzoleni nicht halt. Er wurde nach der Absetzung von Nicole Ruch zum Tierschutz-Chef gewählt, gibt sein Amt nun aber wieder ab. «Meine wichtigsten Aufgaben waren es, Ordnung zu schaffen und Reformen anzustossen, damit der STS selbst und das verloren gegangene Vertrauen wiederhergestellt wird», sagt der Tessiner. «Die Veränderung hin zu einer transparenten, modernen und noch schlagkräftigeren Organisation, die den Tieren eine Stimme gibt, ist jetzt auf gutem Weg.»

Eine Findungskommission sucht bereits nach geeigneten Nachfolgern für Mazzoleni. Der neue Präsident oder die neue Präsidentin wird an der Delegiertenversammlung im März gewählt – dann wird auch über die neuen Statuten entschieden.

Topanwärter winkt ab

Noch zeichnet sich kein klarer Kandidat ab. Infrage kämen derzeit mehrere Reformer innerhalb des Verbands, allen voran der Basler Anwalt Jascha Schneider-Marfels, Präsident der Reformgruppe. Er war massgeblich an der Neuaufstellung des STS beteiligt.

Gegenüber Blick jedoch winkt Schneider-Marfels ab: «Ich habe keine Ambitionen.» Er sehe seine Rolle vielmehr darin, den Kulturwandel beim Schweizer Tierschutz aufzugleisen. Für ein Vorstandsmandat stehe er nicht zur Verfügung.

Kandidiert Peter V. Kunz?

Eine Kandidatur nicht ausschliessen will hingegen Peter V. Kunz. Der Rechtsprofessor, der ebenfalls stark in die Reformbemühungen des Schweizer Tierschutzes involviert war, sagt: «Sollte ich auf das Anforderungsprofil der Findungskommission passen und breite Unterstützung der Sektionen erhalten, könnte ich mir eine Kandidatur als Präsident vorstellen.»

Zuerst müsse er aber seine Ehefrau überzeugen – die stehe dem STS skeptisch gegenüber. Deshalb habe er ihr versprechen müssen, erst einmal die Reformen durchzuziehen.

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