Das Unfallfoto der Kantonspolizei Zürich vom 5. Oktober 2019 ist ein Bild des Schreckens. Links der kleine Ford, er ist auf der Beifahrerseite zerfetzt und eingedrückt. Wenige Meter daneben steht der zwei Tonnen schwere BMW M5 F-90 des Unfallverursachers. Bei der übermotorisierten Limousine ist nur der Motorraum zur Hälfte eingedrückt. Die Fahrerkabine bleibt unbeschädigt.
Im zerstörten Ford befinden sich Lisa B.* (42) und ihre damals vierjährige Tochter Sandra*. Die Frau muss von der Feuerwehr aus dem Wrack geschnitten werden. Mutter und Tochter erleiden lebensgefährliche Verletzungen. Der Unfallverursacher und sein Beifahrer kommen mit dem Schrecken davon.
Nach dem Unfall zuerst eine Zigarette
Die Staatsanwaltschaft klagt den in Schlieren ZH geborenen Kosovaren der mehrfachen vorsätzlichen Körperverletzung, der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln sowie der mehrfachen Unterlassung der Nothilfe und des pflichtwidrigen Verhaltens beim Unfall an. Denn Ardian C.* ist nicht nur gerast, er hat sich nach dem Unfall auch nicht um seine Opfer gekümmert.
Wie die Staatsanwaltschaft schreibt, ging er zum BMW zurück und zündete sich eine Zigarette an. Ihm drohen jetzt vier Jahre Gefängnis und sieben Jahre Landesverweis.
BMW nur 24 Stunden gemietet
Der Samstag des 5. Oktober 2019 sollte für Ardian C. und seine beiden Kollegen ein Autofest werden. Er darf an diesem Abend den BMW X5 seines Vaters ausfahren, ein SUV mit einem ebenfalls mehrere hundert PS starken Motor. Er trifft die Kumpels beim Bahnhof Dietikon ZH, einer der beiden fährt mit dem Traum aller Raser vor: einem BMW M5 F90. Er hat den Boliden für 24 Stunden gemietet. Der Angeklagte darf als Erster ein paar Runden drehen.
Der Kollege schärft dem Angeklagten ein, vorsichtig zu sein und die Einstellungen aus Sicherheitsgründen nicht zu ändern. Doch der gelernte Automobilfachmann schlägt die Warnung in den Wind. Bereits nach kurzer Fahrt stellt er auf «M2» um, das heisst «sportlich dynamische Fahrweise», und deaktiviert den Vierradantrieb und die Stabilitätskontrolle «DSC». Laut Anklageschrift tat er das, um die Hinterräder durchdrehen zu lassen und driften zu können.
Die Warnung des Beifahrers nützt nichts
Als sein Beifahrer die Änderung der Einstellungen bemerkt, fordert er den Fahrer auf, das rückgängig zu machen. Doch der beschleunigt immer wieder und bremst dann scharf ab. Der Beifahrer bekommt es nach eigenen Angaben mit der Angst zu tun und bittet den Angeklagten, damit aufzuhören. Doch der denkt nicht daran.
Auf der langen Geraden auf der Bernstrasse in Dietikon lässt er trotz nasser Fahrbahn die Räder wieder durchdrehen. Das Heck bricht aus, der BMW M5 dreht auf die Gegenspur und knallt ungebremst in den korrekt entgegenkommenden Ford der Mutter.
Lebensgefährliche Verletzungen
Die Folgen sind fatal. Lisa B. erleidet Brüche an Kiefer, Rippen, Oberarm, Unterschenkelhals, Sprunggelenk und Fersenbein. Dazu kommt ein Schädel-Hirn-Trauma und Nervenausfall am rechten Arm. Sie verbringt mehrere Monate in einer Reha-Klinik, ist bis auf weiteres 100 Prozent arbeitsunfähig.
Die Tochter erleidet ein Polytrauma mit Knochenriss im Kopf, Brüchen am zweiten Halswirbel, Rippen, Brustbein, Brustwirbelkörper, dazu kommen ein Leberriss, Hämatom an der Hirnhaut, Bänderrisse, beidseitige Lungenquetschungen. Als Folge des Unfalls leidet das Kind heute noch an einer beidseitigen Lähmung des Augenmuskels und hat Probleme mit der visuell-räumlichen Wahrnehmung und in sprachlichen Funktionen.
Lisa B. lässt über ihren Anwalt ausrichten, dass sie jede Woche in diverse Therapien müssen. Er schreibt: «Ein Leben wie vor dem Unfall wird es für beide nicht mehr geben.»
Ardian C. will sich zum Vorfall nicht äussern.
* Namen geändert