Darum gehts
- Ein Luchs greift angeblich Haustiere im Aargau an, Tierhalter sind besorgt
- Eine Kleintierzüchterin findet ein verletztes Huhn, auch eine Katze ist schwer verletzt
- Der Luchsbestand in der Schweiz wird auf etwa 343 selbständige Tiere geschätzt
Abgerissene Krallen, Stofffetzen am Gehege und lose Federn – im Kanton Aargau sorgen sich derzeit einige Tierhalter um ihre Hühner und Katzen. Der Grund: In den vergangenen Tagen soll ein Luchs mehrfach zugeschlagen und die Tiere angegriffen haben, wie Tele M1 unter Berufung auf Betroffene berichtet.
Wie eine Kleintierzüchterin gegenüber dem Regionalsender erzählt, hat sie eines ihrer Hühner verletzt am Boden aufgefunden und Blutspuren entdeckt. Zwei Krallen hätten gefehlt. Sie vermutet: Der Täter ist ein Luchs. Eine Frau aus Möriken AG berichtet derweil auf Facebook, dass ihre Katze durch einen Luchs schwer verletzt wurde. «Wir wissen nicht, ob Stella überleben wird», heisst es im Beitrag.
«Das ist reine Spekulation»
«Dass ein Luchs so kleine Haustiere angreift, ist eher unwahrscheinlich – aber nicht undenkbar», sagt Erwin Osterwalder (52), Fachspezialist Jagd beim Kanton Aargau, zu Blick. «Es kann gut sein, dass ein Jungtier sich einmal für ein Huhn interessiert, aber für diesen Fall ist das reine Spekulation.» Der Experte kann sich nicht wirklich vorstellen, dass sich ein Luchs an einem Hühnergehege zu schaffen macht. «Ich glaube viel eher an einen Fuchs. Der Fuchs wird völlig unterschätzt», betont Osterwalder. Gerade im Frühling bauen Füchse ihren Bau. Da seien sie auf der Suche nach Futter. Auch Waschbären kämen infrage, da diese in der Region ebenfalls ihr Unwesen treiben.
Die Raubkatze ernähre sich hingegen hauptsächlich von Rehen und Gämsen. «Das Muster ist dabei oftmals gleich», führt der Aargauer aus. «Der Luchs reisst das Reh, frisst, schart es anschliessend mit Laub zu und kehrt immer wieder zurück, um weiterzufressen.»
Osterwalder erklärt, dass es im Kanton Aargau wohl etwa fünf bis zehn Luchse gibt – die meisten leben westlich der Aare. Da die Tiere jedoch längere Strecken zurücklegen können, könne es gut sein, dass sich ein Individuum auch einmal nach Uerkheim oder Möriken verirrt.
Müssen sich Haustierbesitzer nun Sorgen machen? «Nein», betont Osterwalder. «Für Haustiere wie Katzen oder Hunde oder gar Menschen besteht aus meiner Sicht keine Gefahr.» Klar sei jedoch: Menschen, die draussen Hühner halten, müssen eigenverantwortlich darauf achten, dass ihre Tiere ausreichend geschützt sind.
Starker Anstieg in den letzten Jahren
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass der Luchsbestand in der Schweiz in den letzten 15 Jahren stark angestiegen ist. Der Zuwachs ist jedoch langsam und kontinuierlich.
Die Kora-Stiftung erforscht die Entwicklung der Luchse in der Schweiz und publiziert regelmässig neue Daten zu den Populationen. Die neusten Daten wurden am vergangenen Donnerstag veröffentlicht. «Aktuelle Schätzungen gehen von einer Gesamtzahl von in etwa 343 selbständigen Luchsen in der Schweiz aus», heisst es bei der Stiftung. Die Mehrheit lebt in den Alpen – eine Minderheit kommt im Jura vor. Zur Jura-Population werden auch die Luchse im Mittelland gezählt.
«Kein Selfie machen»
Und was tut man, wenn man der Raubkatze zufällig begegnet? «Erst einmal Freude haben», sagt der Experte lachend. Es sei schliesslich sehr selten, dass man einen Luchs zu Gesicht bekommt. Luchse meiden den Menschen – sie nähern sich ihm also nicht und jagen vornehmlich in der Dämmerung. Aus diesem Grund soll der Mensch bei einer Sichtung nicht hastig auf das Tier zugehen. «Man soll Abstand halten», sagt Osterwalder.
Bei einer Begegnung sollte man respektvoll mit dem Tier umgehen. «Das Falscheste wäre, irgendein Selfie oder so zu machen.»