Die Ärzte waren sich sicher, dass der kleine Kihan (†2) nur eine Grippe hat. Und schickten den Buben und seine Mutter Gajaana A.* (30) immer wieder nach Hause. Kurz darauf stirbt das Kleinkind. Und seine Mutter ist am Boden zerstört. «Er sagte ‹Mama› – dann war er tot», sagt sie beim Treffen mit Blick.
Das Drama begann im Dezember 2021. Kihan ist da zwei Jahre alt. «Bis dahin war er immer munter», sagt A. Doch dann habe er Husten, Schnupfen und Fieber bekommen. Sie seien mehrmals zum Kinderarzt gegangen und hätten Medikamente bekommen. Aber: «Es ging ihm nicht besser.»
Ärzte sprachen von einer normalen Grippe
A. sagt, Kihan sei immer wieder krank geworden. «Trotzdem wurde der Kinderarzt nicht stutzig.» Er habe gesagt, es sei wegen des Wetters. Viele Kinder seien krank.
Doch dann verschlimmerte sich die Situation. «Am 14. Januar bekam Kihan plötzlich 40 Grad Fieber. Er ass und trank nichts mehr, war nicht mehr so aktiv.» Die Mutter geht mit ihrem Sohn am 16. Januar ins Spital. Dort sei er kontrolliert worden. Antwort: «Es ist eine normale Grippe. Man gab uns nur Zäpfli mit und schickte uns heim.»
Am nächsten Morgen sei es Kihan noch schlechter gegangen, sagt A. «Ich ging sofort zum Kinderarzt.» Dieser habe festgestellt, dass Kihan sehr schlecht atme und sie ihn dringend ins Spital bringen müsse. Der Arzt habe dort angerufen und gesagt, dass man den Buben dabehalten müsse.
A. fährt ein zweites Mal ins Spitalzentrum Biel. Aber: «Es war eine Katastrophe.» Man habe sie zwei Stunden lang warten lassen. Und wieder die Diagnose: Grippe. «Ich sagte, sie sollen auf mich hören! Ich würde nicht wieder heim.» Sie hätten dann bleiben dürfen.
Am nächsten Morgen habe sich Kihan nicht mehr richtig bewegt und geweint, sagt die Mutter. Und: «Er atmete immer schwerer. Man gab ihm Sauerstoff.» Wenig später sei ihr Sohn «ganz weiss» geworden und habe sich nicht mehr bewegt. «Ich sagte: Schauen Sie, ihm geht es nicht gut!» Ein weiterer Arzt sei gekommen. Sie hätten Kihan noch mehr Sauerstoff gegeben.
«Ich hielt die ganze Zeit seine Hand»
Nur: «Als die Ärzte wieder gingen, hatte Kihan plötzlich Blut im Mund», sagt die Mutter. Sie habe nur noch geschrien. «Ich küsste ihn auf den Mund und sagte ihm, dass er keine Angst haben müsse und alles gut komme. Mama sei da», sagt A. «Dann hat Kihan drei Mal Luft genommen, er sagte ‹Mama› und starb in meinen Armen. Ich hielt die ganze Zeit seine Hand.» Sie habe nur noch geschrien. Die Krankenschwester habe einem Arzt telefoniert. Aber: «Da war es zu spät», so A.
Die Mutter sagt, sie sei in den Korridor geführt worden. «Es waren plötzlich viele Ärzte da», sagt sie. Man hat mir dann gesagt, dass sie Kihan reanimiert hätten und er in eine Spezialklinik geflogen werde. «Ich war nur noch am Beten.» Sie habe noch gesehen, wie Kihan an ihr vorbeigerollt worden sei. «Er hatte ganz viele Schläuche im Mund und die Augen waren zugeklebt.»
Nun sind auch der Vater Damien A. (37) und die Schwester (7) eingetroffen. «Mein Mann ist mit Kihan mitgeflogen. Ich dachte, wenn er seine Stimme hört, dann wird er wach», sagt A. Aber: Man habe ihnen gesagt, dass man nichts mehr für den Buben habe tun können. Sie hätten noch Abschied nehmen können. «Das war ganz schlimm.»
Ein aussergewöhnlicher Todesfall
Im Spital sei die Polizei aufgetaucht. Kihan wird als aussergewöhnlicher Todesfall behandelt. «Wir wollten wissen, ob im ersten Spital Fehler gemacht wurden und woran er gestorben ist», sagt A. Dabei habe ihnen Rechtsanwalt und Ex-SP-Nationalrat Boris Banga (74) geholfen. Er sagt: «Meine Klienten sind der Meinung, dass ihr Sohn im Spital nicht korrekt behandelt wurde. Dieser Meinung bin auch ich. Doch leider soll laut der Staatsanwaltschaft niemand schuld am Tod des kleinen Buben sein.»
Konkret: Es ist am 18. März 2024 eine Einstellungsverfügung erlassen worden, die Blick vorliegt. Beim Buben ist demnach bei der Obduktion eine Mischung aus verschiedenen Infektionen gefunden worden. Er habe eine beginnende Lungenentzündung gehabt. Dazu eine chronische Bronchitis mit überblähten und nicht belüfteten Teilen der Lunge. Was am Schluss zum Tod führte, bleibt offen. Den Ärzten könne damit kein Fehler nachgewiesen werden.
Das von A. kritisierte Spital hat keine Fragen von Blick beantwortet: «Wir geben aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht und des Persönlichkeitsschutzes grundsätzlich keine Auskunft zu Patientinnen oder Patienten und verweisen Sie auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft.»
Dies tut auch Christof Scheurer von der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern. Er versteht jedoch den Unmut von A. und sagt: «Die Staatsanwaltschaft hat angesichts dieses tragischen Schicksals grosses Verständnis für das Leid der Kindsmutter.» Doch bei der Beurteilung dieses aussergewöhnlichen Todesfalls müssten sich die Ermittlungsbehörden «ausschliesslich an den rechtlich relevanten Fakten orientieren».
Die Familie gibt den rechtlichen Kampf auf
Das ist kein Trost für A., die derweil ein zweites Töchterchen (1) bekommen hat. «Der Kampf war umsonst. Ich habe das Vertrauen in das Spital, wo auch ich und meine Kinder geboren sind, verloren.» Sie möchte auch nicht weiterkämpfen. «Ich habe kein Vertrauen mehr in die Behörden», sagt die Mutter.
Kihan hat seine letzte Ruhe im Heimatland der Familie gefunden. «Seine Asche haben wir in Sri Lanka dem Meer übergeben», sagt Gajaana A. «Damit er auch nahe bei seinen Grosseltern ist.» Denn: «Bei mir ist Kihan sowieso immer. Ganz nah und tief in meinem Herzen.»
* Name der Redaktion bekannt