Team von Bettina Schrag untersuchte die Leichen der Walliser Berg-Tragödie
«Solche Dramen berühren auch uns in der Rechtsmedizin»

Opfer von Bergunfällen müssen in vielen Fällen formell identifiziert werden. Im Wallis kümmert sich darum die Rechtsmedizin am Spital in Sion. Deren Leiterin Bettina Schrag erklärt im Interview, welche Methoden es gibt.
Publiziert: 14.03.2024 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2024 um 06:53 Uhr
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Bettina Schrag leitet die Rechtsmedizin am Spital Wallis in Sitten.
Foto: Keystone
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Martin MeulReporter News

Am Wochenende kommen bei einem tragischen Bergunglück an der Tête Blanche im Wallis fünf Einheimische ums Leben. Eine Freiburgerin, die mit ihnen unterwegs war, wird immer noch am Berg vermisst. Die Identität der Opfer ist inzwischen bekannt. Die Todesanzeigen der fünf Männer wurden am Dienstag publiziert.

Zuvor kamen die Leichen der Männer in die Abteilung von Bettina Schrag (47). Sie leitet die Rechtsmedizin am Spital Wallis in Sion. Ihr Auftrag: die formelle Identifizierung der Opfer des Bergunglücks. Eine Arbeit, mit der die Rechtsmedizin im Wallis viel Erfahrung hat.

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Blick: Bettina Schrag, Sie haben als Rechtsmedizinerin im Wallis oft mit Opfern von Bergunfällen zu tun. Dass fünf Personen auf einmal sterben, ist aber eher selten. Wie gehen Sie mit solchen Tragödien wie der an der Tête Blanche um?
Bettina Schrag: Da gibt es zwei Ebenen. Selbstredend gehen wir die Sache wissenschaftlich und professionell an, um die Sachlichkeit zu gewährleisten. Das sind wir schon aus Respekt den Opfern und Angehörigen schuldig. Aber solche Dramen berühren auch uns in der Rechtsmedizin als Menschen.

Die fünf bislang gefundenen Opfer des Unglücks mussten formell identifiziert werden. Wann wird eine solche Identifizierung nötig?
Dafür kann es im Allgemeinen mehrere Gründe geben. Generell ist eine formelle Identifizierung als notwendig zu erachten, wenn ein Leichnam optisch nicht mehr erkennbar ist, zum Beispiel aufgrund der Umstände, die zum Tod geführt haben oder durch das Einsetzen des Verwesungsprozesses. Es kann aber auch sein, dass eine formelle Identifizierung angeordnet wird, wenn es mehrere Opfer hat.

Stimmt es, dass eine solche Identifizierung am schnellsten geht, wenn ein Angehöriger vorbeikommt und sagt: «Ja, das ist mein Sohn»?
Dies stellt den Idealfall dar, ist je nach Situation jedoch nicht möglich.

Wenn eine visuelle Identifizierung nicht klappt, was für Möglichkeiten haben Sie dann?
Fingerabdrücke sind eine gute und relativ schnelle Methode zur Identifizierung, unter der Bedingung, dass eine Vergleichsmöglichkeit besteht, zum Beispiel aus einem biometrischen Pass. Leichen lassen sich auch über Zahnschemata oder die Seriennummern von Implantaten identifizieren. Aber auch hierfür müssen Vergleichsdaten vorliegen.

In Filmen werden Opfer von Unfällen oder Gewaltdelikten oft über DNA identifiziert. Ist das auch im realen Leben ein gutes Mittel?
Durchaus. Dabei wird die DNA der Verstorbenen mit denen der Angehörigen verglichen.

Das dauert dann aber recht lange, oder?
Nicht wirklich. Wenn wir gutes Vergleichsmaterial haben, zum Beispiel von den Eltern, liegen die Ergebnisse innerhalb eines Tages vor.

Warum reicht für die Identifizierung nicht ein Blick auf die ID, die die Verstorbenen bei sich haben?
Da können Fehler passieren. Dies wollen wir unter allen Umständen vermeiden. Da müssen nur die Portemonnaies vertauscht worden sein und sich Personen ähnlich sehen, schon kann eine falsche Identifizierung passieren. Eine ID ist deshalb immer nur ein Hinweis auf die Identität des Verstorbenen. Dieser Hinweis muss dann mit einer der genannten Methoden bestätigt werden.

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