Es sind eindrückliche Bilder, die Blick vorliegen. Darauf zu sehen: Der Hang zwischen einem Neubau und einer Kantonsstrasse in Rothrist AG, der am 10. Januar ins Rutschen kam und die Strasse verschüttete, war schon 2021 in Bewegung. Und wie! Auf den Fotos ist zu sehen, dass es beim Haus einen Abriss, darunter tiefe Risse in der Erde und umgestürzte Bäume gab. Zudem waren Spezialisten vor Ort.
Hans Rudolf Sägesser (57, FDP), der zuständige Gemeinderat, der bisher nur von einem Erdrutsch Ende Mai 2022 und dem kürzlichen Rutsch sprach, bestätigt den Vorfall: «Man hatte im 2021 bereits Abdeckmassnahmen ergriffen.»
Kanton erfuhr nichts vom ersten Vorfall
Nur: Hatte die Gemeinde diesen Vorfall dem Kanton gemeldet, damit er in der Gefahrenhinweiskarte als Rutschhang ausgewiesen werden kann? «Wir wurden nie über ein Ereignis, das sich am betroffenen Hang im 2021 abgespielt haben soll, informiert», sagt Elizabeth Jacobs, Fachspezialistin für Rohstoffe und Geologie von der Abteilung für Umwelt Kanton Aargau. Und: «Als Baubewilligungsbehörde, in diesem Fall die Gemeinde, ist man verpflichtet, offenkundige Gefahrenhinweise mitzuteilen und gegebenenfalls abklären zu lassen, sonst macht man sich haftbar.» Man habe davon erst erfahren, «nachdem es im Mai 2022 zu einem solchen Vorfall kam».
Danach sei im Auftrag vom Kanton ein externes Büro beauftragt worden, die Gefährdung der Kantonsstrasse zu beurteilen, die ans Waldstück grenzt. Jacobs: «Diese Beurteilung vom 23. Juli 2022 hinsichtlich Rutschung wurde als gering beurteilt, womit im Grundsatz keine Massnahmen zu treffen sind.» Als Grundlage sei ein anderes geologisch-geotechnisches Gutachten vom 20. Juli 2021 über die Rutschung unterhalb der Überbauung konsultiert worden, «welches damals im Auftrag der Bauherrschaft erstellt wurde».
Was weiss der zuständige Gemeinderat?
Auf Nachfrage bei Gemeinderat Sägesser zur Nicht-Meldung des Hangrutsches im Jahr 2021 weicht dieser aus: «Ob und wenn überhaupt durch wen der Kanton informiert wurde, erschliesst sich mir nicht.» Müsste er dies nicht wissen? Er war es auch, der sagte, man habe die Eigentümer des Landes nach dem Hangrutsch im 2022 aufgefordert, etwas zu unternehmen. Dabei bleibt er: «Ich habe etwas Schriftliches in der Hand.» Vorlegen will er es nicht.
Von den Land-Eigentümern sprach einzig Bruno Eggenschwiler (89), der Ex-Besitzer des Landes, auf dem die neue Liegenschaft steht. Er sagte, er habe nie eine Aufforderung zur Ergreifung von Massnahmen erhalten. Bei ihm sei 55 Jahre lang nie etwas passiert.
Bauherr könnte Licht ins Dunkel bringen
Bleibt die Frage nach der Rolle des Bauherrs, der das alte Haus 2015 kaufte. «Es ist anzunehmen, dass beim Neubau ein Gutachten über den Baugrund erstellt wurde», erklärt Kantons-Fachspezialistin Jacobs. Ob der Hang als gefährdet beurteilt wurde, müsste aus dem Gutachten ersichtlich sein.
Allerdings: Eine solche Beurteilung ist nicht verbindlich.«Das heisst nicht, dass man dort nicht hätte bauen dürfen», sagt Jacobs. Es müsste jedoch nach allen Regeln der Baukunst gebaut werden.
Licht ins Dunkel bringen könnte der Bauherr. Doch dessen Anwalt sagt nur: «Die Abklärungen laufen noch.»
Kantonsstrasse bleibt weiter gesperrt
Die Sperrung der Strasse könnte laut Sägesser bis Ende Woche andauern. Grund: «Man sieht, dass der Hang nach wie vor in Bewegung ist.» Das Problem seien der Regen und dass man nicht genau wisse, was noch herunterkomme.
Gut möglich, dass sich für diese Hang-Vorgeschichte auch die zuständige Versicherung interessiert, wenn es um die Bezahlung des ganzen Schlamassels geht.