Alle fünf Minuten bot Hausarzt B.* (59) in Brugg AG einen neuen Patienten auf. Dafür verrechnete er jeweils 15 Minuten sowie eine «kleine» und eine «umfassende Untersuchung durch den Facharzt für Grundversorgung». Letztere führte er jedoch nie durch – allein die Zeit hätte nicht gereicht. Obwohl er Leistungen wie Notfall- und Dringlichkeitspauschalen, EKG und Aktenstudium nie erbrachte, stellte er auch diese in Rechnung.
Zudem verrechnete er den Versicherungen spezifische Beratungen, zu denen er aufgrund seiner Ausbildung gar nicht befähigt war. Während eineinhalb Jahren stellte er 2300 falsche Arztrechnungen aus und ergaunerte so über 245'000 Franken, berichtet die «Aargauer Zeitung».
Keine medizinische Ausbildung
2016 flog der Schwindel auf. In einem Bericht schrieb der Ombudsmann des aargauischen Ärzteverbandes, praxisinterne Recherchen hätten ein «desolates Bild» ergeben. Der in Rumänien aufgewachsene 59-Jährige besitzt auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Zuvor hatte der Mann in verschiedenen Arztpraxen, Notfallstationen, einer psychiatrischen Klinik und für das Deutsche Rote Kreuz gearbeitet, wie er vor dem Bezirksgericht Brugg erzählt. Dreimal war er verheiratet.
Als seine Praxis 2016 ohne Vorankündigung geschlossen wurde, war der Allgemeinmediziner spurlos verschwunden. Mit internationalem Haftbefehl wurde nach ihm gefahndet, bis er in Italien festgenommen wurde.
«Schämen Sie sich in Grund und Boden»
Rätselhaft bleibt, wohin das erbeutete Geld geflossen ist. Obwohl er monatlich rund 15'000 Franken verdiente, zahlte er seinen Kindern keinen Unterhalt. «Ich hatte in Rumänien viele Schulden, die ich teilweise zurückbezahlt habe, mit dem Rest habe ich in der Schweiz über meine Verhältnisse gelebt, mir Dinge gekauft und Ausflüge gemacht», sagt der Rumäne.
Es tue ihm leid, beteuerte er, doch Gerichtspräsident Sandro Rossi nimmt ihm die Reue nicht ab. Er habe seine Patienten nur als Profit gesehen. «Schämen Sie sich in Grund und Boden», sagt Rossi. Der selbsternannte Hausarzt wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, davon 18 Monate unbedingt. Dazu kommt ein Landesverweis von sieben Jahren. Zudem muss er den Versicherungen 245'000 Franken und seinen beiden Töchtern je 10'000 Franken Unterhalt zurückzahlen. (gs)
* Name bekannt