Über 570'000 Franken von IV ergaunert
Schweizer soll mit Blindenstock und verdunkelter Brille simuliert haben

Jahrelang täuschte ein Ehepaar mutmasslich die Behörden – und sackte IV-Rentenzahlungen ein. Nun stehen sie vor dem Kreisgericht See-Gaster. Ihnen wird gewerbsmässiger Betrug vorgeworfen.
Publiziert: 23.01.2024 um 11:09 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2024 um 12:02 Uhr
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Über zehn Jahre lang bezog ein Schweizer unrechtmässig Invalidenversicherung (IV). (Symbolbild)
Foto: Shutterstock

Starke Augenprobleme, Schwindel, Allergien und chronische Rückenschmerzen – darunter soll der Mann leiden. Zudem sei er beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln auf Begleitung angewiesen, im Auto sitze er nur als Beifahrer. Soziale Kontakte seien nur mithilfe Dritter möglich. Die Ärzte schliessen auf eine psychiatrische Störung, wie die «Südostschweiz» berichtet.

Trotz all dieser angeblichen Einschränkungen lebte der heute 63-Jährige mit seiner damaligen Ehefrau auf hohem Niveau. Ein grosses Haus, zwei Autos, ein Boot und regelmässige Ferien, wie der Staatsanwalt in der Anklageschrift schreibt. Finanziert hätten sich die beiden ihren Wohlstand durch jahrelangen Betrug an der Invalidenversicherung (IV) – über 570'000 Franken sollen sie kassiert haben. Ab Mittwoch muss sich das mittlerweile Ex-Ehepaar vor dem Kreisgericht See-Gaster SG verantworten.

Mehr als zehn Jahre lang gab sich der Mann als geistig und körperlich schwer krank aus – seine Frau unterstützte ihn. Dabei geht die Staatsanwaltschaft laut der «Südostschweiz» davon aus, dass der Beschuldigte zwischen 2003 und 2014 unrechtmässig IV-Renten bezog. Aufgrund der Täuschungen sollen auch die Pensionskasse und die 3. Säule Geld ausbezahlt haben.

Observation deckt Schwindel auf

Obwohl die Ehefrau arbeitete, war der Lebensstandard der Familie nicht finanzierbar. Sie bestätigte 2012, dass eine Erwerbstätigkeit für ihren Mann undenkbar sei. Dem widersprach ein anonymer Hinweis, der im August 2013 bei der Sozialversicherungsanstalt St. Gallen einging.

Im Auftrag der Behörde wurde er daraufhin zwischen November 2013 und März 2014 während drei Perioden beobachtet. Dabei zeigte sich: Der Beschuldigte bewegte sich uneingeschränkt, fuhr Auto, ging einkaufen – Blindenstock und Lupe benutzte er nicht. Laut Anklageschrift ging er wandern, besuchte Feste und baute einen Online-Shop auf.

Zu einem Standortgespräch der IV-Stelle mit Ärzten und dem Ehepaar im Mai 2014 tauchte der Beschuldigte mit Blindenstock, verdunkelter Brille, Lupe und Lendenstützgurt auf. Laut seiner Frau müsse sie ihm aus dem Bett helfen, manchmal mache er sogar in die Hose. Das berichte die «Südostschweiz».

Gutachten ergibt volle Arbeitsfähigkeit

Aber der Schwindel war aufgeflogen: Die IV-Stelle konfrontierte den Schweizer mit den Ergebnissen der Observation, Zahlungen wurden eingestellt. Ein Gutachter stellte im August 2015 die volle Arbeitsfähigkeit fest. Die einzige Diagnose lautete: demonstrative Beschwerdepräsentation und auffälliges Verhalten.

Doch das Paar wehrte sich gerichtlich gegen die Einstellung der IV-Rente. Im Jahr 2022 bestätigte jedoch ein neues Gutachten erneut die 100-prozentige Arbeitsfähigkeit des Angeklagten. Der Vorwurf: Er habe über viele Jahre ein schwer überprüfbares Täuschungskonstrukt bzw. Lügengebäude aufgebaut.

Ab Mittwoch beginnt der Prozess im «Kreuz» in Jona SG. Die Anklage lautet auf gewerbsmässigen Betrug. Beide sollen je 285'000 Franken zurückzahlen. Zudem fordert der Staatsanwalt für den Mann dreieinhalb und für die Frau drei Jahre Haft. (gs)

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