«Kampf dem Kapital» oder «Miete ist Diebstahl»: Seit Wochen mobilisieren linke Gruppen zum 1. Mai – für den Kampf gegen Wohnungsnot, Klimakrise und Teuerung.
Am Montag dürfte es spannend werden, denn in den letzten Monaten sind Demonstrationen mehrmals eskaliert. Vor einem Monat zerstörten Vermummte in Zürich an einer unbewilligten Kundgebung Einsatzfahrzeuge, verwüsteten Geschäfte und verletzten Polizeibeamte. Auch in Basel kam es vermehrt zu wüsten Szenen, als Polizisten und Demonstrierende aufeinanderprallten.
Im vergangenen Jahr gab es in der Schweiz mehr Demos denn je. Das zeigt eine Umfrage von SonntagsBlick in sieben Städten. Sowohl Basel als auch Bern und St. Gallen verzeichneten 2022 einen neuen Höchststand. Insgesamt wurde in diesen Städten 1564-mal demonstriert – macht mehr als vier Demos pro Tag.
Junge SVP fordert Überwälzung von Demokosten
Die neue Lust am Protest geht ins Geld. Im Vorjahr beliefen sich die Einsatzkosten bei Demos in Zürich auf 3,1 Millionen Franken. Das zeigen neue Zahlen, welche die Stadtpolizei im Auftrag von SonntagsBlick ausgewertet hat. Das Jahr 2021 war mit 5,3 Millionen Franken sogar noch teurer. Die Polizei begründet dies mit mehr unbewilligten Demonstrationen und Corona-Einschränkungen.
Die Berner Polizei – in der Bundesstadt wird traditionell häufig und rege demonstriert – kam 2021 auf Kosten von nicht weniger als sieben Millionen Franken. Allein die Demonstration am Tag der Abstimmung über das Covid-Gesetz Ende November verursachte einen Aufwand von rund 400'000 Franken. Das vergangene Jahr ist noch nicht ausgewertet.
Nun wird der Ruf nach Überwälzung von Demo-Kosten lauter. An vorderster Front: die Junge SVP.
In Basel und Zürich verlangt sie mit ihrer «Anti-Chaoten-Initiative», sämtliche Ausgaben für Polizeieinsätze, Sach- und andere Schäden auf die Veranstaltenden und Teilnehmenden zu überwälzen. In Basel sollen Demos zudem künftig nur dann bewilligt werden, wenn der Tramverkehr in der Innenstadt nicht übermässig gestört wird. Die schärferen Regeln schränken gewalttätige wie auch friedliche Demonstrationen gleichermassen ein.
Doch bringen solche Forderungen die finanzielle Entlastung, die sie versprechen? In Bern ist eine Kostenüberwälzung, wie sie die SVP-Jugend verlangt, seit kurzem möglich.
Sechs Demonstrierende, die im Herbst 2021 unbewilligt gegen Corona-Massnahmen protestiert hatten, wurden Anfang Jahr in einem Präzedenzfall zur Beteiligung an den Ausgaben der Ordnungskräfte verurteilt. Die Beträge liegen zwischen 200 und 1000 Franken. Es flossen also nur wenige Tausend Franken zurück – und dies bei Polizeikosten von mehreren Hunderttausend Franken.
Fussballspiele sind noch teurer
Sogar die Verfahrenskosten dürften höher ausfallen als die Einnahmen. Die Berner Sicherheitsdirektion kann dazu jedoch keine Angaben machen, da der Kostenaufwand nicht detailliert erhoben werde. Weitere neun Fälle mit Kostenüberwälzungen zwischen 200 und 300 Franken sind noch hängig.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (51, Die Mitte) sprach bei der Einführung der neuen Massnahme von deren «präventivem Charakter» – es geht also um Abschreckung.
Die Stadt Luzern kennt wie auch Zürich einen sogenannten Kostenersatz, wenn es an Demos zu Gewaltausübung kommt. Wie ein Sprecher auf Anfrage erklärt, wurde die Regel seit ihrer Einführung 2017 noch kein einziges Mal angewendet – weil es seitdem nicht zur Gewaltanwendung kam.
Einen anderen Weg geht Biel BE: Die Stadt lehnte Ende letzten Jahres eine Kostenüberwälzung ab, weil sie das Recht auf Meinungsäusserung beschneide, immerhin ein Grundrecht.
In Zürich gibt es übrigens einen Posten, der die Stadt noch teurer zu stehen kommt als Demos: Fussballspiele. 3,3 Millionen Franken betrugen die Polizeikosten dafür im vergangenen Jahr, ein neuer Rekord. 2021 waren es 1,5 Millionen Franken.
Der Grund: Seit der Saison 2021/2022 spielen sowohl GC als auch FCZ wieder in der Super League. Das bedeutet mehr Hochrisikospiele, also auch ein grösseres Polizeiaufgebot.