Macht durch Koks-Handel
Diese Clans haben das Sagen in der Schweiz

Italienische Mafia, nigerianische Dealer, Balkan-Kartelle und die Dominikaner – in der Schweiz mischen viele mit, wenn es um das lukrative weisse Pulver geht. Dass kolumbianische Kartelle direkte Verbindungen in die Schweiz haben, war bisher nicht bekannt.
Publiziert: 13.01.2023 um 13:24 Uhr
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Aktualisiert: 13.01.2023 um 15:10 Uhr
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2014 filmte die Bundespolizei in Frauenfeld TG eine angebliche Zelle der 'Ndragheta bei einem Treffen. Die italienische Mafia soll einer der grossen Player auf dem Koksmarkt in der Schweiz sein.
Foto: Keystone

Die Arme der kolumbianischen Drogenbarone reichen bis in die Schweiz. Ein wichtiger Mann vor Ort war Alvaro H.* (47). Von Basel aus sorgte er für den Clan del Golfo, das mächtigste Verbrechersyndikat Kolumbiens, dass Kokain nach Europa kam und vertickte es gleichzeitig selbst im grossen Stil – und machte damit Millionen.

Am 7. April 2021 klickten in Basel die Handschellen. Am 16. Januar wird Alvaro H. der Prozess gemacht. Die Kolumbianer sind zwar für die Kokainproduktion zuständig, die Macht in der Schweiz haben aber andere Clans an sich gerissen.

Viele Player mischen hierzulande im Kokaingeschäft mit. Kontrolliert oder dominiert wird der hiesige Kokainhandel von keiner vorherrschenden kriminellen Organisation – jeder hat seinen eigenen Einflussbereich. Aber es zeigt sich ein neuer Trend: Die Kartelle spannen teilweise zusammen, statt zu konkurrieren. Bundesanwalt Sergio Mastroianni sagt zu Blick: «Dass die verschiedenen kriminellen Organisationen punktuell zusammenarbeiten, ist eine neue Tendenz.»

Derzeit mischen folgende Kartelle im hiesigen Kokaingeschäft mit.

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Italienische Mafia

Drogen und Geldwäscherei sind immer noch eines der Hauptgeschäfte der Mafia in der Schweiz. Von allen italienischen Gruppierungen sei die ’Ndrangheta hierzulande zahlenmässig am stärksten vertreten, sagt Fedpol-Sprecher Florian Näf zu Blick. «Die ’Ndrangheta ist auf allen Ebenen, im Gross-, Zwischen- und Kleinhandel aktiv. Für den Drogenmarkt der Schweiz werden einerseits die Strukturen der ’Ndrangheta genutzt, es werden aber auch Geschäfte mit Albanern, Dominikanern oder Nigerianern gemacht.»

Auch Bundesanwalt Sergio Mastroianni bestätigt gegenüber Blick: In der Schweiz spiele die ’Ndrangheta im Kokainhandel eine grosse Rolle. «Daneben gibt es aber beispielsweise auch Organisationen aus Südosteuropa, der Türkei, aus Afrika und natürlich Südamerika.»

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Die Nigerianer

In Italien gelten sie längst als die «fünfte Mafia», die sogenannte Bruderschaft der schwarzen Axt. Die einstigen nigerianischen Rebellen gelten wegen ihrer grausamen Riten als extrem brutal.

Längst zählen die Afrikaner im Drogengeschäft zu den Global Playern – auch in der Schweiz. Noch vor zehn Jahren teilte sich die nigerianische Mafia den nicht von den Italienern kontrollierte Kokainmarkt mit dominikanischen Banden, heute dominieren die Nigerianer. Anfang Dezember 2020 flog in Zürich ein nigerianischer Drogenring auf. An der «Operation Wave» waren die Zürcher Kantonspolizei sowie Eurojust, Europol und Interpol beteiligt. Insgesamt gab es 200 Festnahmen, 130 allein in der Schweiz. 115 Kilogramm Kokain konnten sichergestellt werden.

3

Das Balkan-Kartell

Südosteuropäische Syndikate, insbesondere aus den Balkan-Staaten, arbeiten zuweilen eng mit der italienischen Mafia zusammen. Auch die türkische Mafia kooperiert mit der ’Ndrangheta. Das zeigt eine umfangreiche Türkei-Connection im deutschen Ruhrgebiet, die 2018 aufflog.

Aus dem Balkan-Kartell wurde 2019 ein Kroate festgenommen, als er in Basel war. Nicht irgendwer, sondern der Kartellboss. Er hatte sich offenbar unantastbar gefühlt. Mit 21 Koffern, gefüllt mit 603 Kilo Koks, war er in seinem Privatjet von Südamerika über Nizza nach Basel-Mulhouse (F) geflogen. Das Fedpol bekam einen Tipp – und verhaftete den Mann in der Tiefgarage des Basler Casinos.

4

Dominikanisches Drogenkartell

Das dominikanische Drogenkartell hat ebenfalls Mafiastrukturen. Es schafft seit den 80er-Jahren kolumbianisches Kokain von Santo Domingo nach Europa – traditionell über Spanien –, und zwar mittels Schiffscontainern oder Privatjets. Aber auch über sogenannte Bodypacker. Die Kuriere mischen sich unter die Touristen des karibischen Ferienparadieses und schmuggeln den Stoff in ihrem Darm oder im Gepäck. Mittlerweile verschifft auch die dominikanische Mafia zunehmend nach Nordeuropa und steuert Häfen in Holland oder Belgien sowie Flughäfen in Deutschland an. Auch in der Schweiz ist das Kartell tätig. Zum Beispiel in Basel. Im Restaurant Punta Cana wurde früher Kokain verkauft. Die ehemalige Wirtefamilie aus der Dominikanischen Republik wurde wegen Handels mit 14 Kilogramm Kokain verurteilt.

* Name geändert

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