«Waffenruhe», «Konfliktparteien», «gute Dienste»: Diese Worte finden sich in einem brisanten Bericht. Es geht darin nicht um Syrien, den Jemen oder Sudan, sondern um das Schweizerische Rote Kreuz (SRK).
Seit dem 15. Dezember, dem Tag der Absetzung des langjährigen Direktors Markus Mader (59), steht das SRK in den Schlagzeilen. Die Entscheidung im Rotkreuzrat war mit sechs zu vier Stimmen knapp ausgefallen. Vier Mitglieder traten aus Protest sofort zurück.
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Seitdem tobt ein Kampf um die Deutungshoheit. Die Geschäftsprüfungskommission intervenierte und liess die Vorgänge durch eine externe Kanzlei prüfen. Diese Woche wurden die Ergebnisse bekannt. Für Barbara Schmid- Federer (57) fallen sie wenig schmeichelhaft aus.
Der Bericht attestiert der Ex-CVP-Nationalrätin «wenig Eignung und Willen zur Führung», spricht vom «fehlenden Mut, sich herausfordernden und unbequemen Situationen zu stellen». Als Präsidentin trage sie die Gesamtverantwortung. Vor allem dafür, dass der Direktor vor seiner Abberufung «nicht angehört» worden sei.
Wer hat beim SRK das Sagen?
Doch auch Mader bekommt sein Fett weg: Er habe mit seinem Verhalten zur Eskalation beigetragen, unter anderem mit einem E-Mail, dem «Dokumente angehängt waren, die nicht für aussenstehende Personen bestimmt waren».
Dass der externe Bericht von diversen Papieren flankiert wird, zeigt, wie angespannt die Lage ist. Die Zürcherin Schmid-Federer und ihr Genfer Stellvertreter Matteo Pedrazzini bekräftigen in einem Brief das «grosse Vertrauensdefizit» und sprechen von «eklatanten Mängeln in der Corporate Governance». Die Geschäftsprüfungskommission ist gespalten.
Und die Gutachter prophezeien: «Der grundlegende strukturelle Konflikt wird sich mit dem Weggang des Direktors nicht von alleine lösen.» Im Kern geht es um die Frage: Wer hat beim SRK das Sagen – die Kantone oder Bern?
Mader spricht derweil von einer «umfassenden Rehabilitierung» durch den Bericht. Er sei «erleichtert und spüre eine gewisse Genugtuung».
Zwei ältere Herren mischen mit
Seit Dezember mischen zwei ältere Herren vom Spielfeldrand aus mit: Toni Frisch (77) und Luzius Schmid (75). Frisch leitete früher die Humanitäre Hilfe der Deza und ist mittlerweile der schärfste Kritiker der Präsidentin. Er fordert ihren Rücktritt: «Mit Schmid- Federer ist kein Neuanfang möglich.»
Streit zwischen Föderalisten und Zentralisten habe es beim SRK immer gegeben, sie seien aber nie ein Problem gewesen: «Wir konnten alles ausdiskutieren – bis Barbara Schmid-Federer kam.» Mader sei als Führungskraft zu stark gewesen. «Deswegen musste er gehen.»
Frisch über die «Dauer-Kritik» aus den Kantonen an einer zu starken Zentrale: «Das SRK ist auf internationaler und nationaler Ebene sehr wichtig. Wir brauchen weniger Kantönligeist.» Den Vorwurf, Mader habe immer mehr Macht an sich gerissen und mische in zu vielen Gremien mit, in denen Gelder verteilt werden, weist Frisch zurück: «Da spielt viel Eifersucht mit.»
«Er vergisst immer wieder die Kantone»
Der St. Galler Rotkreuz-Mann Luzius Schmid (75) indes ist Maders schärfster Kritiker. Der Ex-Direktor habe viele Qualitäten. «Seine Stärken liegen im internationalen Geschäft. Hier macht er einen super Job. Doch er vergisst immer wieder die Kantone.»
Schmid versteht nicht, weshalb die SRK-Zentrale in Bern «massiv» wachsen musste: «Mader hat die nationale Zentrale regelrecht aufgebauscht. Es braucht keine 500 Leute.» Und: «Das Rote Kreuz soll doch bei den Leuten vor Ort sein.» Mader sehe sich nicht als Dienstleister für die Mitglieder: «Er dachte an sein eigenes Imperium.» Schmid-Federer habe im Rotkreuzrat durchgegriffen, weil niemand die Konflikte mit Bern lösen wollte. «Barbara hatte den Mut, den ihr Vorgänger nicht hatte», sagt Schmid.
Laut einem internen Papier, das SonntagsBlick vorliegt, prallen im SRK schon länger «zwei Welten» aufeinander: «Hier die Zentrale in Bern mit ihrer nationalen und bedeutenden internationalen Ausrichtung, dort die dezentralen Einheiten.» Die Kantone wünschten mehr «Dialog auf Augenhöhe».
Spender seien loyal geblieben
Am 24. Juni entscheidet die Rotkreuzversammlung, wie es auf nationaler Ebene weitergehen soll. Dann stehen Wahlen an. Schon am Dienstag aber könnte es Bewegung geben. Markus Mader ist seit Dezember krankgeschrieben. Er ist zwar abberufen, aber immer noch angestellt. Wie die SRK-Medienstelle mitteilt, treffen sich Schmid-Federers Stellvertreter Pedrazzini und Mader am Dienstag, um eine Lösung zu finden: «Die Präsidentin ist wegen Krankheit nicht verfügbar.»
Und was bedeutet das Zerwürfnis für die Spendenkampagnen? «Unsere bestehenden Spender sind bisher loyal geblieben», teilt das SRK mit. Bei der Neuspender-Gewinnung lägen die Werte jedoch «signifikant tiefer als im Vorjahr».
Von privaten Grossgönnern gebe es Rückmeldungen, «dass sie bis zur Klärung der Situation mit Spenden zuwarten. Die mittelfristigen Auswirkungen können wir zurzeit aber noch nicht abschliessend abschätzen», so das SRK.