Kantone blechen Millionen
Krankenkassen knausern bei Impfpauschalen

Der Streit um die Impfpauschale spitzt sich zu. Die Kantone werfen den Kassen vor zu knausern. Die Ärzte steigen aus der Impfkampagne aus. Nun stehen Neuverhandlungen an.
Publiziert: 26.09.2021 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2021 um 12:14 Uhr
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Hausärzte spielen bei der Impfkampagne in zahl­reichen Kantonen eine Schlüssel­rolle.
Foto: picture alliance/dpa
Sven Zaugg

Hausärzte spielen bei der Impfkampagne in zahlreichen Kantonen eine Schlüsselrolle. Sie klären Impfzauderer auf, immunisieren Hochrisikopatienten, wissen um Risiken und Nebenwirkungen. Doch vielen Ärzten ist die Lust aufs Piksen vergangen. Sie fühlen sich im Stich gelassen.

So auch Josef Widler. Er ist Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich und vertritt damit die Interessen von 6000 Ärztinnen und Ärzten. In seiner Praxis wird seit Ende Mai nicht mehr geimpft. Das hat zwei Gründe.

Die Dosis: Ärzte müssen mindestens 400 Dosen pro Monat bestellen, sonst werden sie nicht berücksichtigt. Zu viel für kleinere Praxen. Der Tarif: Bis Anfang Oktober erhalten die Ärzte noch 24.50 Franken pro Impfung, dann bis Ende Jahr 16.50 Franken.

Laut Ärzteverband FMH ist die Verabreichung einer Impfdosis aber erst bei einem Betrag von 56 Franken kostendeckend. Deshalb springen die Kantone ein und erhöhen die Pauschalen für die Ärzte in ihrem Gebiet.

Josef Widler sagt: «Da ist viel Sand im Getriebe. Wir brauchen eine Lösung bei den Dosen und eine anständige Vergütung.» Bald stehen Auffrischungsimpfungen für Risikopatienten an. «Und wenn die Impfung für Kinder zugelassen wird, werden auch sie von Kinder- und Hausärzten immunisiert werden müssen und sicher nicht in grossen Impfzentren», sagt Widler.

Kassen, Kantone und Ärzte liegen sich seit Monaten in den Haaren

Das zeigte sich diese Woche wieder, als sich die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) genötigt sah, die Kassen in einer Mitteilung frontal anzugreifen. Die Krankenversicherer seien nicht bereit, die geltende Pauschale von 24.50 Franken pro Impfung über Ende September hinaus zu verlängern. Deshalb müssten nun die Kantone in die Bresche springen und die Differenz von acht Franken decken. Mit anderen Worten, der Steuerzahler muss blechen.

Die Antwort des Krankenkassenverbandes Curafutura kam postwendend: Man halte an diesem «begründeten Preis fest». Präsident Pius Zängerle wollte sich gegenüber SonntagsBlick nicht zu den Verhandlungen äussern. Der Krankenkassenverband Santésuisse schreibt auf Anfrage: «Wir haben bereits zweimal eingewilligt, die genehmigte Vereinbarung zugunsten der Ärzteschaft anzupassen.»

Die GDK befürchtet, die tiefe Vergütung könnte dazu führen, dass sich noch mehr Ärzte aus der Impfkampagne verabschieden. Man verlasse sich zu sehr auf die Kantone.

Unwille der Kassen stösst landesweit auf Unverständnis

Was es kostet, wenn die öffentliche Hand einspringen muss, um die Impfkampagne am Leben zu erhalten, zeigt sich im Kanton Aargau. Bislang wurden im viertgrössten Kanton der Schweiz 56 944 Impfungen von Hausärzten durchgeführt. Dabei hat der Kanton zu den bisherigen 24.50 Franken pro Schuss, die von Kassen und Bund gezahlt werden, nochmals 20.50 Franken dazugelegt. Insgesamt erhalten die Hausärzte also eine Pauschale von 45 Franken. Die Kosten für den Kanton Aargau belaufen sich deshalb bisher auf mehr als 1,1 Millionen Franken.

Kinderimpfungen: Schwieriger und teurer

Derzeit ist die Corona-Impfung in der Schweiz auch für Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Was eine Impfung von Kindern unter zwölf betrifft, wartet die Eid-genössische Kommission für Impffragen noch auf verlässliche Daten. Ein Kinderspiel wird das Impfen aber auch dann nicht, wenn es grünes Licht gibt. «Nicht nur die Beratung ist schwieriger», sagt Philipp Jenny, Präsident des Vereins Pädiatrie Schweiz. «Die Ängste vor dem Impfakt selbst sind grösser und die Kinder müssen dementsprechend vorbereitet und gefühlvoll durch die Impfung geführt werden.» Jenny fordert darum neben einer höheren Impfpauschale auch Einzeldosen, damit die Impfungen in die Sprechstunde integriert werden können. Über eine entsprechende Entschädigung laufen Verhandlungen zwischen Kassen, Kantonen und Ärzten.

Derzeit ist die Corona-Impfung in der Schweiz auch für Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Was eine Impfung von Kindern unter zwölf betrifft, wartet die Eid-genössische Kommission für Impffragen noch auf verlässliche Daten. Ein Kinderspiel wird das Impfen aber auch dann nicht, wenn es grünes Licht gibt. «Nicht nur die Beratung ist schwieriger», sagt Philipp Jenny, Präsident des Vereins Pädiatrie Schweiz. «Die Ängste vor dem Impfakt selbst sind grösser und die Kinder müssen dementsprechend vorbereitet und gefühlvoll durch die Impfung geführt werden.» Jenny fordert darum neben einer höheren Impfpauschale auch Einzeldosen, damit die Impfungen in die Sprechstunde integriert werden können. Über eine entsprechende Entschädigung laufen Verhandlungen zwischen Kassen, Kantonen und Ärzten.

Der Unwille der Kassen, sich mit höheren Beträgen an den Impfpauschalen zu beteiligen, stösst landesweit auf grosses Unverständnis. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Versicherer keine Mitfinanzierung leisteten. Sie hätten genügend Reserven, teilt die Berner Gesundheitsdirektion stellvertretend mit.

Urs Stoffel, bei der Ärztegesellschaft FMH für die Tarife verantwortlich, spricht von einem «Preis-Basar». «Wir feilschen um jeden Rappen, dabei geht es doch um die Gesundheit der Bevölkerung und den einzigen Ausweg aus der Pandemie.»

Die Tarifverhandlungen für das nächste Jahr haben eben erst begonnen. Stoffel ist verhalten optimistisch, dass die Ärzte bald eine angemessene Entschädigung erhalten. «Doch die Verhandlungen mit den Kassen sind sehr hart. Uns wird nichts geschenkt.»

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