Ein Mann in orangem Überwurf mit Schutzbrille und Gasmaske schaut in sein iPhone, darunter der Titel «Corona-Virus: Made in China». Als ich diesen «Spiegel» am 1. Februar 2020 in Händen halte, denke ich noch erleichtert: «Das ist Gott sei Dank weit weg!» Doch bereits eine Woche zuvor erkennen zwei Deutsche die drohende Gefahr: die türkischstämmige Ärztin Özlem Türeci (54) und ihr Mann, der in der Türkei geborene Krebsforscher Ugur Sahin (56) – zusammen gründeten sie am 2. Juni 2008 das Biotechnologieunternehmen Biontech mit Sitz in Mainz (D).
«Am 24. Januar 2020 gab es weltweit weniger als 1000 bestätigte Fälle der neuen Krankheit», schreibt der britische «Financial Times»-Journalist Joe Miller, der die Biontech-Gründer seit März 2020 begleitet und nun zusammen mit ihnen das Buch über den Weg zum Impfstoff herausgibt. «Am 25. Januar fassten Ugur und Özlem zunächst allein den Entschluss, einen Impfstoff herzustellen.» Am Sonntagabend, dem 26. Januar, ersinnt er die ersten acht Impfstoffkandidaten und skizziert technische Konstruktionspläne.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat Biontech rund 1300 Mitarbeiter und ist bekannt in der Krebsforschung. Dafür arbeiten Türeci und Sahin, die sich selber als «Immunsystemflüsterer» bezeichnen, mit der sogenannten mRNA-Technik. Das «m» steht für «messenger», also «Bote». Und RNA steht für das Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte Ribonukleinsäure-Molekül, das genetische Informationen speichern kann und am Anfang unseres Lebens steht. «Es war zugleich das erste Huhn und das erste Ei», so Miller im Buch.
Doch mRNA ist nicht das Ei des Kolumbus, denn der Bote ist unzuverlässig und zerfällt, bevor er den Impfstoff in einer Zelle abliefert. Das hat allerdings auch den Vorteil, dass es in der Zelle nicht zu genetischen Veränderungen kommt. Die Forscher müssen eine schützende Hülle schaffen, vier verschiedene Fettmoleküle, sogenannte Lipide. Erdachte sich Sahin zu Beginn gleich acht Impfstoffkandidaten, so schickt er bei den Tests gleich mehrere ins Rennen, um im Wettkampf gegen die Pandemie nicht ins Hintertreffen zu geraten.
«Projekt Lightspeed» liest sich wie ein Wissenschaftskrimi, erklärt aber auch anschaulich den Wirkstoff (nein, es hat keine Halbleiter-Nanodrähte drin) und bringt einem das Forscherpaar persönlich näher. Etwa dort, wo Miller die Tochter zitiert, als der Anruf kam, dass die Impfung funktioniert: «Meine Mutter sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.» Leider ist das Buch schludrig übersetzt: Es mag im Englischen angehen, wenn man Protagonisten duzt, doch im Deutschen ist nicht einsehbar, weshalb Türeci und Sahin ständig mit Vornamen zitiert sind. Zudem brechen Texte dann und wann mitten im Absatz ab – Gott sei Dank arbeiteten die Forscher genauer.
Joe Miller mit Özlem Türeci und Ugur Sahin, «Projekt Lightspeed: Der Weg zum BioNTech-Impfstoff – und zu einer Medizin von morgen», Rowohlt