Staatsverweigerer lassen sich von Polizei und Behörden nichts sagen, zahlen keine Steuern, öffnen keine Briefe. Sie sind überzeugt, sich von Staat und Gesetz losgesagt zu haben. Und sorgen damit für Sorgenfalten in Schweizer Amtsstuben. Stefan Oschmann (43) aus dem Kanton Basel-Landschaft wurde wegen Corona zum Staatsverweigerer: «Ich habe ab 2021 aufgehört, Steuern, Krankenkasse und TV-Gebühr zu bezahlen», sagt er. «Dieser Staat bekommt von mir nichts mehr!» Für sein Verhalten zahlt Oschmann einen hohen Preis: Der selbstständige Handwerker wurde gepfändet und in den Konkurs geschickt, ist mittlerweile privat und geschäftlich ruiniert. Kurz: «Ich habe alles verloren.»
Im Mai deckte Blick auf, dass Staatsverweigerer in der ganzen Schweiz Seminare abhalten. Dort können angehende Staatsverweigerer lernen, wie man angeblich Rechnungen und Steuerforderungen verschwinden lassen kann. «Ich konnte soeben einen Zahlungsbefehl löschen lassen», triumphierte zum Beispiel ein Kursleiter aus Affoltern am Albis ZH. Gegen 250 Franken «Ausgleich» bot er sein Wissen an, wie man Rechnungen nicht bezahlen muss.
Der Trick: Viele Staatsverweigerer definieren sich als «Menschen». Und distanzieren sich damit vom Wort «Person», das gerne von Behörden verwendet wird. Sie glauben, sich mit der Trennung von der «Person» auch gleich von sämtlichen Verpflichtungen lossagen zu können. Die Kurse waren gut gebucht. Immerhin wird die Szene in der Schweiz auf mehrere Tausend Anhänger geschätzt. Einziges Problem: Beim angeblichen Geheimwissen handelt es sich nur um Schall und Rauch.
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«Ich trug keine Maske und bin nicht geimpft»
Oschmann fühlt sich von den Behörden ungerecht behandelt, hat sich darum an den Blick gewandt. «Die Schweiz soll sehen, wie korrupt das System ist», erklärt er seine Beweggründe für den Schritt an die Öffentlichkeit. Beim Treffen erzählt er die Geschichte einer schrittweisen Eskalation.
Der 43-Jährige kam 2007 aus Thüringen in die Schweiz, machte sich als Klimatechniker in einem Ein-Mann-Betrieb selbstständig. «Ich hatte keine Probleme, weder finanziell noch mit den Behörden», beteuert er. Ein Betreibungsregister-Auszug aus dem Jahr 2019 zeigt keine Einträge. Dann kam die Pandemie.
«Ich trug keine Maske und bin nicht geimpft. Man hat mich darum vom öffentlichen Leben quasi ausgeschlossen», empört sich Oschmann. «Also habe ich aufgehört, dieses System finanziell zu unterstützen.»
Auf Telegram, wo sich Verschwörungstheoretiker tummeln, informierte er sich. Und stiess dort auf die Staatsverweigerer-Ideologie: Er nannte sich fortan «Mensch :stefan» und schickte Briefe, die nicht (inklusive Doppelpunkt) genau so beschriftet sind, zurück oder ignorierte sie. Staat, Polizei und Betreibungsamt: Für Oschmann handelt es sich nur um Firmen, mit denen er nie einen Vertrag abgeschlossen hat.
Nur: Der Staat spielt das Spiel von «Mensch :stefan» nicht mit.
Rechnungen, Mahnungen, Zahlungsbefehle
Aus Rechnungen wurden mit den Monaten Mahnungen, dann Zahlungsbefehle und Betreibungsandrohungen. Statt dem Pöstler standen irgendwann Polizisten mit amtlichen Schreiben vor der Tür. Der Preis wurde für den Handwerker immer höher. Und der Weg zurück in die Gesellschaft und in ein normales Leben immer steiniger. Am 2. Februar 2023 kreuzten zwei Polizeiautos bei ihm auf, erzählt Oschmann. «Sie haben meinen Anhänger gepfändet, den ich für meine Arbeit brauche!»
Im August wurde die Klimatechnik-Firma, eine Einzelfirma, in den Konkurs geschickt. «Ich wurde von der Polizei aufs Konkursamt begleitet, unter Androhung von Gewalt», sagt Oschmann. Auch sein Privatkonto sei gesperrt worden. Die Briefe mit Reklamationen, die der Deutsche ans Betreibungsamt schickt, werden immer schriller: «Sie haben mir mein Leben geraubt», schreibt er. «Sie sind nicht befugt, die Person Oschmann Stefan in den Konkurs zu treiben, da Sie kein Beamter mehr sind!» Und: «Die Firma Betreibungsamt hat keine Legitimation.»
Was das Betreibungsamt Baselland aber definitiv hat wegen Leuten wie Oschmann: «Mehr Arbeit», wie es auf Blick-Anfrage sagt. «Seit Mitte 2021 stellen wir bei uns einen Mehraufwand wegen Staatsverweigerern fest.» Konkret gehe es um etwa 40 Stellenprozent, die durch Staatsverweigerer dazugekommen seien. «Es ist aber nicht so, dass wir deswegen kurz vor der Überlastung stehen. Personen mit speziellen Rechtsauffassungen gab es natürlich schon früher, aber was wir jetzt erleben, ist ein neues Level.» Zum Einzelfall Oschmann sagt das Amt aus Datenschutzgründen nichts.
Für den Handwerker wiederum stellt sich die Frage: Wo soll das alles enden? «Ich habe noch ein paar Freunde von früher, die sagen mir: ‹Du spinnst doch›.» Oschmann muss zugeben: Die Telegram-Anleitungen, wie mit dem Betreibungsamt umzugehen sei, haben nicht wirklich funktioniert. «Ich bin aus den meisten Gruppen ausgetreten», sagt er. Er sei viel in der Natur, zieht sich zurück. Mit der zusätzlichen Zeit baut er Möbel aus Paletten oder schiesst Armbrust.
Er bleibt trotz allem auf seiner Linie: «Dass der Staat so reagiert, zeigt nur, wie korrupt er ist.» Dass sein Telegram-Wissen in der Realität nicht funktioniert, bestärkt ihn darin nur noch mehr. Er ist überzeugt: «Ich bin sturer als die Schweiz. Und ich habe mehr Ausdauer, denn dieses System wird bald zusammenbrechen, davon bin ich überzeugt.» Es scheint, als gäbe es für Stefan Oschmann keinen Weg zurück.