Die Urteilseröffnung ist beendet
Damit ist die Verhandlung gegen Jasmin T. abgeschlossen. Wir danken für die Aufmerksamkeit.
«Ein kleiner Raum – ein wutentbrannter Vater»
Die Richterin lässt das Bild vom September 2020 nochmals Revue passieren: «Es war ein kleiner Raum – ein wutentbrannter Vater. Und eine geladene Waffe.» Für das Gericht ist klar, dass man es hier mit einer Notwehr- und Notwehrhilfesituation zu tun hatte. Durch das Wegstossen habe die Freigesprochene ihren Vater gewarnt. Den wütenden Vater mit Worten zu besänftigen, war damals undenkbar. «In der Theorie ist das im Nachhinein möglich. Im Moment selber aber nicht», sagt die Richterin.
Frau T. sei in eine Situation geraten, die man niemandem wünscht. Von der Angeklagten in dieser Situation Besonnenheit zu erwarten sei «überspitzt» gewesen. «So sind wir zu diesem Freispruch gekommen.»
Jasmin T. reagiert erleichtert
Die junge Frau nimmt den Entscheid des Gerichts mit Erleichterung auf. Zusätzlich zum Freispruch erhält Jasmin T. eine Entschädigung von 16'200 Franken. Die Richterin kommt zur Urteilsbegründung. «Dieser Notruf war tieferschütternd. Der war nicht gespielt», sagt die Richterin. Bei dem Familienstreit habe es sich nicht um eine Inszenierung oder ein Komplott gehandelt, sondern um eine echte Notsituation.
Die wenigen Unsicherheiten bezüglich des Tathergangs seien einfach zu erklären. Dass sich die Aussagen von Mutter und Tochter während den Vernehmungen nicht komplett deckten, zeige, dass die Beiden sich in einer Notsituation wiedergefunden hatten. Das Gericht schenkt den beiden Frauen glauben.
Freispruch!
Die Beschuldigte wird vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freigesprochen!
Die Angeklagte betritt den Saal
Im Beisein ihres Anwalts nimmt die Angeklagte Platz.
Das Urteil wird gespannt erwartet
Der Gerichtssaal füllt sich zunehmends. Die Angeklagte lässt aktuell noch auf sich warten.
Die Verhandlung ist geschlossen
Kurz nach 12 Uhr mittags schliesst die Richterin die Verhandlung. Eine Entscheidung des Gerichts wird auf heute, 17.30 Uhr, in Aussicht gestellt. Wir melden uns pünktlich zurück.
Kurze Pause
Um circa 12.15 Uhr geht es am Bezirksgericht Zürich weiter.
Jasmin T. hat das Schlusswort
Jasmin T. spricht ihr Schlusswort. Sie spricht über ihren Vater, einerseits als gewaltbereiten Mann, andererseits als lustigen und liebevollen Vater.
Während ihrer Rede, die sie sich aufgeschrieben hat, bricht sie mehrmals in Tränen aus. Ihre Stimme stockt, als sie sagt: «Ich vermisse meinen Vater und wünsche mir, dass es anders gekommen wäre und ich noch einen Vater hätte.» Schnell nimmt sie wieder Platz und vergräbt ihr Gesicht in einem Taschentuch.
«Sie hatte null Erfahrung mit Waffen»
«In wenigen Sekunden hätte er sich auf sie stürzen können», erzählt der Verteidiger der Angeklagten bildhaft. «Sie hatte null Erfahrung mit Waffen» und sei das erste Mal mit einer solchen Situation konfrontiert gewesen. Man müsse sich «in ihre Situation von damals» hineinzuversetzen. In weniger als einer Sekunde könne man nicht entscheiden, welche anderen Möglichkeiten noch bestünden.
Am 24. September 2020 zerreissen in Zürich-Wollishofen Schüsse die morgendliche Stille. Als die Polizei kurz darauf in einer Wohnung eintrifft, zeigt sich ein dramatisches Bild: Ein Familienvater (†47) ist mit mehreren Schüssen getötet worden, seine Ehefrau hat eine Schusswunde am Arm erlitten.
Tochter Jasmin T.* (damals 18) ist verletzt. Sie wird noch an Ort und Stelle verhaftet, steht unter dringendem Tatverdacht, ihren Vater aus kurzer Distanz erschossen zu haben. Was vor der Bluttat passiert ist, bleibt aber lange im Dunkeln. «Diese Ungewissheit sei das Schlimmste für Freunde, Angehörige und Familie», hiess es damals aus dem Umfeld der Familie mit kosovarischen Wurzeln.
Ab heute muss sich die Tochter vor Bezirksgericht Zürich verantworten. Der Staatsanwalt klagt auf vorsätzliche Tötung. Die Anklageschrift bringt jedoch auch etwas Licht in die Vorgeschichte – und wirft die Frage auf: Tötete die Gymnasiastin ihren Vater, um die Mutter zu retten?
Mehr Gerichtsfälle
Vater schiesst auf Ehefrau, Tochter schiesst auf Vater
Der Tathergang, wie ihn die Anklage beschreibt: Als die junge Frau am verhängnisvollen Morgen ins Elternschlafzimmer geht, wird sie Zeugin, wie der Vater ihre Mutter attackiert. Er hat ihr mit einer Pistole in den linken Unterarm geschossen. Danach «legt er seine Hände an ihren Halsbereich und drückt sie aufs Bett», heisst es weiter.
Die Tochter reagiert sofort. Sie stösst ihren Vater zur Seite, nimmt die Pistole vom Kaliber 9mm, mit der zuvor ihre Mutter angeschossen wurde, in beide Hände. Der Vater richtet sich auf. Er droht, alle zu umzubringen. Dann drückt Jasmin T. mehrfach ab.
Sie steht direkt neben dem Bett, trifft ihren Vater viermal: in den Hals, in den Kopf, zweimal in den Rücken. Laut Gutachten war der 47-Jährige innert kürzester Zeit tot.
Verteidiger schweigt
Knapp zwei Monate sitzt die Tochter hinter Gittern, bevor sie wieder auf freien Fuss gesetzt wird. Sie wohnt mittlerweile in einer Zürichsee-Gemeinde, besucht laut Informationen in der Anklageschrift das Gymnasium. Welches Strafmass der Staatsanwalt für sie fordert, wird erst vor dem Richter klar.
In ähnlichen Fällen entschieden Zürcher Gerichte in der Vergangenheit auch schon auf Freispruch: Im Oktober 2009 tötete eine junge Frau ihren Vater in Oberrieden ZH mit vier Schüssen. Sie machte glaubhaft, der gewalttätige Kampfsportler habe sie angegriffen. Sie wurde vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freigesprochen.
Der Verteidiger von Jasmin T. wollte vor der Verhandlung gegenüber Blick keine Stellung nehmen.
*Name geändert
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