In den letzten Tagen krachte es in der Schweiz gewaltig. Seltene Superzellen sorgten für Mega-Gewitter. Im Berner Oberland beispielsweise zerstörte der Hagel ganze Ernten. Im Kanton Neuenburg überschwemmten die Wassermassen zwei Dörfer. In Zug und Zürich legten sie Teile des öffentlichen Verkehrs lahm. Schon jetzt gibt es Schäden in Millionenhöhe – dabei hat die Gewittersaison gerade erst begonnen.
Und der Spuk ist nicht vorbei. «Es besteht weiterhin Unwetterpotenzial», sagt Stefan Scherrer von Meteonews zu Blick. Denn auch am Donnerstag müsse erneut mit Regengüssen und Gewittern gerechnet werden. Diese können lokal wieder heftig ausfallen. Wo genau die Gewitter durchziehen, sei schwierig vorherzusagen. «Vieles deutet aber darauf hin, dass der Schwerpunkt entlang der Voralpen sein wird», sagt der Meteorologe. Weitere Gewitter seien aber auch im Flachland möglich.
Ist eine Woche Gewitter eigentlich noch normal?
Grundsätzlich sind Gewitter im Juni nichts Aussergewöhnliches. Laut Scherrer gehören sie zum Sommer so wie etwa ein Hitzetag. Speziell sei in dieser Woche jedoch die Intensität. «Wir erleben hier eine Wetterlage, die sicherlich nicht jedes Jahr vorkommt», sagt er. Ein Beispiel dafür seien die Superzellen von Sonntag und Montag. An einigen Messstationen habe es zudem Niederschlagsintensitäten gegeben, die nur alle 10, 20 oder sogar 50 Jahre zu erwarten sind. Ein Beispiel: «In Langenbruck BL fielen am Mittwoch innerhalb von kurzer Zeit rund 60 Millimeter Niederschlag – das ist knapp die Hälfte des Monatsniederschlags», sagt Scherrer.
Hat der Klimawandel einen Einfluss auf das momentane Wetter?
Im Zusammenhang mit solchen extremen Wetterphänomenen stellt sich auch immer die Frage, welchen Einfluss der Klimawandel darauf hat. Laut Scherrer kann man die momentane Wetterlage aber nicht einfach auf den Klimawandel abschieben. «Wenn das Klima wärmer wird, gibt es aber natürlich mehr Potenzial für extreme Wetter-Ereignisse.»
Warum kamen die Gewitter immer am Abend?
«Das hängt stark mit der Sonneneinstrahlung zusammen», sagt der Meteorologe. Wenn sich die Luft genug erwärmt hat, steigt sie auf. Sobald der Taupunkt erreicht ist, kondensiert sie – eine Gewitterwolke entsteht.
Wo gab es die meisten Gewitter?
In den letzten Tagen wüteten die Unwetter auffällig oft in bestimmten Regionen – dazu gehören die Ortschaften entlang des Juragebirges, das Berner Oberland sowie die Zentralschweiz. Der Grund dafür: Gewitter entstehen bevorzugt entlang von Gebirgen, wo die Luft hochsteigen kann, sagt Scherrer. «Hotspots sind vor allem der Jura und die Voralpen», sagt er. Das Mittelland hingegen habe beispielsweise deutlich weniger Gewitter.
Nützen Hagelkanonen überhaupt etwas?
Im Kampf gegen Hagel setzen Landwirte mancherorts auf Hagelkanonen. In der Kanone explodiert ein Propangasgemisch, das eine Druckwelle in Richtung der Wolken auslöst. Die Schallwelle soll dabei die Schichten der Gewitterwolken durchmischen – sodass das Wasser darin nicht in die Frostzone der Wolken gerät und als Regen statt als Hagel vom Himmel kommt. Die Wirksamkeit dieser Geräte ist jedoch umstritten. Auch die Menge an Hagel, der in den letzten Tagen vom Himmel fiel, lässt an deren Wirkung zweifeln. Laut Scherrer ist ein Effekt des Geräts zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber schwierig umsetzbar.
Welche Gefahren gibt es bei den aktuellen Gewittern zu beachten?
Die momentanen Gewitter bergen allerhand Gefahren. Der Meteorologe rät deshalb zur Vorsicht: «Wenn es blitzt, solle man sich beispielsweise nicht im Wasser oder ungeschützt auf einem Hügel aufhalten.» Bei starken Regenfällen können vor allem Bäche und kleinere Flüsse schnell ansteigen und über die Ufer treten. Gefahr lauere auch bei Unterführungen. «Wenn sich dort Wasser sammelt, sollte man nicht mit dem Auto durchfahren» sagt Scherrer. Wie gefährlich das ist, zeigte sich am Montagabend in Zug, als zwei Autos unter einer Brücke in den Wassermassen stecken blieben.
Sind Tornados in der Schweiz möglich?
In der französischen Gemeinde Verrières-de-Joux, die direkt an der Schweizer Grenze liegt, brachten die Unwetter am Dienstag noch eine andere Gefahr mit sich. Dort wütete ein Tornado. Videoaufnahmen zeigen, wie er ein Hausdach mit sich reisst und durch die Luft wirbelt. Laut Scherrer wäre so etwas auch in der Schweiz möglich. «Es ist ja nicht so, dass es das noch nie bei uns gegeben hat – es kommt einfach sehr selten vor», sagt er. Der Grund: Die Topografie der Schweiz sei dazu nicht wirklich geeignet. Ideal für Tornados sind zum Beispiel die weiten Ebenen in den USA.
Wann stabilisiert sich die Lage wieder?
«Die Lage stabilisiert sich bereits am Freitag», sagt Meteorologe Scherrer. Zwar sei das Wetter noch veränderlich, Unwetter dürfte es aber kaum noch geben. Am Samstag werde es recht sonnig, und die Temperaturen steigen wieder an. Wie es die Woche darauf aussieht, sei noch nicht im Detail geklärt. Aber: «Voraussichtlich steigt das Gewitterrisiko bereits Anfang Woche wieder an», sagt Scherrer.