Die Unwetter nehmen kein Ende: Auch am Dienstag fegten wieder heftige Gewitter über die Schweiz. Besonders hart traf es den Kanton Neuenburg – bei der Polizei gingen dort mehr als 500 Anrufe ein. Die Dörfer Cressier und Frochaux wurden am Abend von Sturzbächen aus Schlamm und Wasser überschwemmt.
Fast 120 Polizisten und Einsatzkräfte arbeiteten die ganze Nacht, um die Situation in den Griff zu bekommen. Im Einsatz stand auch ein Super-Puma der Armee. Es entstand grosser Sachschaden, verletzt wurde niemand – die Lage ist laut der Kantonspolizei Neuenburg inzwischen unter Kontrolle. Die Aufräumarbeiten dauern an. Bilder aus den betroffenen Dörfern zeigen die Verwüstung. Autos wurden unter dem Schutt begraben.
«Es ist eine Katastrophe»
Marc Laubscher (53) ist einer der Betroffenen aus Cressier. Er wohnt im Dorf. Als Blick am Mittwoch vor Ort ist, schaufelt er Schlamm vor seinem Haus weg. «Gestern flossen 20-30 Zentimeter Schlamm und Wasser in mein Haus», sagt Laubscher. «Ich bin extra heute Morgen aus den Ferien in Frankreich zurückgekommen. Ich wollte nachschauen und helfen. Es ist eine Katastrophe.»
Viele Autos seien kaputt, sagt der Neuenburger. Auch sein Keller sei in Mitleidenschaft gezogen worden. «Jetzt muss ich mit der Versicherung schauen.»
Auch Pat Odzenberger (48) wohnt im Dorf. Er selbst ist aber nicht von den schlimmen Unwettern betroffen. «Wir sind ins Dorfzentrum gekommen, um auszuhelfen – wo und wie es geht.» Am Dienstagabend gegen 19.30 Uhr habe es begonnen, «abezbrätsche», erzählt Odzenberger. «Normalerweise gehen Gewitter weiter. Aber hier sind wir gerade vor dem Berg. Irgendwie blieb das Gewitter auf dem Berg hängen.» Es habe nicht mehr aufgehört, zu gewittern. «Es kam während 15-20 Minuten schlimm runter. Im Wald oben und in den Rebbergen hielt nichts mehr. Die beiden Dorfbäche liefen meterweise über ihr Ufer.»
Es sei krass, dass Leute, die nur 200 Meter von ihm entfernt wohnen, jetzt nichts mehr haben, sagt Odzenberger. «Es geht darum, dass man den Menschen irgendwie helfen kann, zu schauen, dass sie nicht mehr traurig sein müssen. Mit unserem Dorfspirit wird es gehen.» Im Keller, an dem man jetzt arbeite, versuche man den Schlamm zu entfernen, erklärt der 48-Jährige.
Aufräumarbeiten könnten Wochen dauern
Die Gemeindebehörden sprachen am Mittwochmorgen an einer Medienorientierung von einer «Katastrophe». Die Lage sei derzeit zwar unter Kontrolle. Die Gefahr sei aber noch nicht gebannt, da für den Abend bereits neue Gewitter angekündigt worden seien.
Viel Material habe sich schon gelöst. Wenn es noch einmal regne, könnte es noch schlimmer werden, sagte ein Spezialist.
Die Aufräumarbeiten gestalteten sich laut Feuerwehr und Zivilschutz schwierig, am Mittwochmorgen wurden immer noch Keller ausgepumpt. Es werde Tage bis Wochen dauern, bis alle Schäden des Unwetters beseitigt seien, sagte Gemeindepräsident Jean Bernard Simonet. Mehrere Familien müssen aufgrund von Wasserschäden und Stromausfällen umquartiert werden. Der Kanton Neuenburg rechnet damit, dass die Überschwemmungen Dutzende Millionen Franken kosten wird.
Tornado reisst Dach weg
Betroffen von den Gewittern war auch der südöstliche Rand des Juragebirges. Wegen Unwettern war dort die A5 zunächst in beiden Richtungen gesperrt. Erst am späten Dienstagabend war sie in Richtung Biel BE wieder befahrbar. In Richtung Lausanne VD wurde sie dann vor 2 Uhr in der Nacht wieder geöffnet.
In der französischen Gemeinde Verrières-de-Joux, die direkt an der Schweizer Grenze liegt, wütete am Dienstag sogar ein Tornado. Ein Video zeigt, wie dieser ein Hausdach wegreisst und durch die Luft wirbelt.
Erhöhte Hagelwahrscheinlichkeit
Die Unwetter der letzten Tage haben bereits Schäden in Millionenhöhe angerichtet – weitere dürften Folgen. Denn im Laufe des Nachmittags und Abends steigt gemäss Meteonews das Gewitterrisiko wieder an. «Die Gewitter haben auch heute wieder Unwetterpotential», wie es in einem Tweet heisst.
Neben vielen Blitzen und Starkregen sind lokal auch Hagel und vor allem in der Umgebung von Gewittern Sturmböen zu erwarten. Laut dem Wetterdienst gibt es beispielsweise für die Zentralschweiz eine deutlich erhöhte Hagelwahrscheinlichkeit. Das Südtessin sowie Nord- und Mittelbünden und das Engadin werden von den Unwettern weitgehend verschont bleiben. (bra)
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