Wenn wir uns schon erlauben, Tiere zu halten, um sie zu töten und zu konsumieren», sagt Stefan Schürmann und blickt auf die Kühe und Kälber auf seiner Weide, «dann sollten wir wenigstens für hohe Tierwohlstandards sorgen!»
Tiere in Massen zu halten, sie im Überfluss zu konsumieren oder gar zum Wegwerfartikel verkommen zu lassen, widerspreche seinen Wertvorstellungen, sagt der Biobauer aus Altwis LU. Schürmann lebt vor, was er fordert: Das Rindfleisch aus Mutterkuhhaltung, das er produziert, entspricht den Vorgaben des Biolabels KAG Freiland – laut Schweizer Tierschutz (STS) eines der besten Zertifikate für Tierhaltung. Schürmanns Kühe fressen Gras, haben viel Platz und dürfen täglich auf die Weide. Zum Schlachthof im Nachbardorf fährt der Bauer seine Tiere selbst, jedes einzeln.
Trotz dieser klaren Vorzüge stagniert der Verkauf von Label-Fleisch in der Schweiz, teilweise ist er sogar rückläufig. Der Grund sind laut STS einerseits hohe Margen der Detailhändler auf Labelprodukte, aber auch eine geschickte Werbung – so etwa die «Schweizer Fleisch»-Kampagne von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft.
Kalter Beton statt Stroh
Proviande wirbt mit Vorzeige- oder gar Labelhöfen – obwohl in der Realität längst nicht alle Betriebe nach diesen Standards produzieren. So werden in der Werbung gern Schweine gezeigt, deren Liegeplätze mit Stroh ausgelegt sind. In der konventionellen Haltung müssen sich die Tiere mit nacktem Beton begnügen.
«Mit der Werbung wird den Konsumierenden vorgegaukelt, dass auch das konventionelle Niveau tierfreundlich ist», sagt Stefan Flückiger, Geschäftsführer Agrarpolitik beim Schweizer Tierschutz. Das treffe aber nicht zu. Zwar müssen alle Bauern die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen. Diese aber seien oft nicht tiergerecht. «Weder Einstreu noch Auslauf sind obligatorisch. Und es fehlen Strukturen, in denen die Tiere ihr natürliches Verhalten ausleben können.»
Auch Bauer Schürmann sagt: «Man zeigt in der Werbung eine Label-Tierhaltung, um auch den Verkauf von Massenware zu fördern.»
Der Bund zahlt Proviande jährlich 5,7 Millionen Franken für die Förderung des Fleischabsatzes. Damit bezwecke man die Positionierung von heimischen gegenüber importierten Produkten, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft auf Anfrage. Die Umsetzung der Werbemassnahmen sei Sache der zuständigen Organisationen.
«Auch in der Schweiz ist nicht alles perfekt.»
Proviande erklärt, man wolle mit der Werbung die hierzulande im Vergleich zum Ausland viel bessere Tierhaltung hervorheben. Aber: «Zugegeben, auch in der Schweiz ist nicht alles perfekt.» Für eine noch bessere Tierhaltung sorgten freiwillige Tierwohlprogramme sowie die Labelproduktion.
Genau dort setzt der Schweizer Tierschutz nun an. Er fordert, dass die Absatzförderung des Bundes künftig nur noch für Mehrwert- Labelprodukte mit strengeren Vorschriften bezüglich Tierschutz und Ökologie erfolgt. Denn, so Flückiger: «Der Bund ist verpflichtet, eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu fördern.» Mit der Neuausrichtung von Subventionen soll auch ein Anreiz für Landwirte und Landwirtinnen geschaffen werden, tierfreundlicher zu produzieren.
Auch die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz sieht Handlungsbedarf. Sie will mit einer Motion fordern, dass der Bund nur noch Werbung für Fleisch unterstützt, das mit einem höheren Standard nach den Tierwohlprogrammen des Bundes produziert wurde.
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