«Unverhältnismässig»
Tierquälerei: Bundesrat ist gegen Videoüberwachung

Viele Schlachthöfe missachten die Vorschriften zum Schutz der Tiere beim Schlachten. Der Bundesrat lehnt es dennoch ab, obligatorische Videoüberwachungen einzuführen.
Publiziert: 12.05.2020 um 08:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2021 um 10:34 Uhr
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Viele Schlachthöfe in der Schweiz missachten die Vorschriften zum Schutz der Tiere beim Schlachten.
Foto: imago
Daniel Ballmer

Rund 76 Millionen Nutztiere wurden letztes Jahr in der Schweiz geschlachtet. Um das Tierwohl auch in den Schlachtbetrieben zu schützen, gibt es zahlreiche Vorschriften. Nur: Gerade in kleinen und mittelgrossen Betrieben werden sie «ungenügend befolgt». Das zeigt ein Bericht des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Und das weiss auch der Bundesrat.

Die Mehrheit der Betriebe weise beim Tierschutz Defizite während des Schlachtprozesses auf, so das BLV. «Die wichtigsten Mängel bestehen bei der Unterbringung während der Nacht sowie bei der Betäubung und beim Entbluten der Tiere.» Und nicht nur Schlachtbetriebe, auch die amtlichen Tierärzte würden ihre Aufgaben in den Schlachtbetrieben nicht immer erfüllen, rügt der Bericht. «Deshalb finden in manchen Betrieben die vorgeschriebenen Tierwohl-Kontrollen zu wenig bis gar nicht statt.»

Lieber verbesserte Selbstkontrolle

Das Problem ist erkannt. Von einer effizienten Videoüberwachung für alle Schlachthöfe hält der Bundesrat hingegen nichts. Eine solche forderte der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (55) mit einer Motion. Gerade die Betäubungs- und Entblutungszone soll so besser kontrolliert werden. Heute gilt für die Schlachthöfe in diesem Bereich weitgehende Selbstkontrolle – die mal mehr, mal weniger gut umgesetzt wird.

Eine generelle Anordnung der Videoüberwachung erscheint dem Bundesrat jedoch unverhältnismässig. Er setzt lieber auf gezielte und kontinuierliche Schulung des Personals, das Optimieren von Abläufen und die Verbesserung der Selbstkontrolle. Zusammen mit der Branche habe das BLV hier nötige Schritte eingeleitet.

«Verhältnismässigkeit wäre ohne weiteres gegeben»

Gleichzeitig habe das Bundesamt die Kantone aufgefordert, Sofortmassnahmen einzuleiten. Falls nötig sollen sie mehr Personal für Kontrollen abstellen, so wie es auch ein neu eingereichter Vorstoss der Grünen-Nationalrätin Meret Schneider (28, ZH) fordert. Und zuletzt werde die Verordnung über den Tierschutz beim Schlachten überarbeitet, wobei Verbesserungen bei den einzelnen Betäubungsmethoden vorgesehen seien.

Das aber reicht SP-Ständerat Jositsch nicht: Der Bundesrat räume unumwunden ein, dass Missstände bestehen und eine Videoüberwachung eine zielführende Massnahme wäre. «Angesichts des heute breiten Einsatzes von Videokameras in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens wie etwa in Kaufhäusern einerseits sowie der Sensibilität von Schlachthöfen andererseits, wäre die Verhältnismässigkeit ohne weiteres gegeben», ist der Jurist überzeugt. «Ich teile daher die Ansicht des Bundesrats nicht.»

Selbstkontrolle sei unzureichend

«Ohne Kontrollmöglichkeit bleiben gravierende Tierschutzverstösse wie etwa Fehlbetäubungen von den amtlichen Tierärzten unentdeckt», begründet Jositsch seinen Vorstoss. Verdeckte Videoaufnahmen von Tierrechtsorganisationen hätten in der Vergangenheit denn auch wiederholt krasse Tierschutzverstösse ans Licht gebracht. Die heutige Selbstkontrolle hält er denn auch für unzureichend.

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