Tiffy geht gerne spazieren, Besuchern kommt sie freudig entgegengerannt, sogar der Ringelschwanz scheint zu wedeln. Tiffy ist ein Schwein, «mit sieben Monaten ein verspielter Jungspund», wie Georg Klingler (39) sagt. Aber eigentlich wäre Tiffi bereits zu Spareribs und Bratwürsten verarbeitet worden. Denn mit sechs Monaten und 100 Kilo Gewicht werden Schweine normalerweise geschlachtet.
Millionen von Schweinen landen auf dem Teller
Das Schicksal hat es gut mit Tiffy gemeint, sie ist nicht wie andere Millionen von Schweinen auf dem Teller, sondern auf dem Hof von Klingler gelandet. Der Umweltnaturwissenschaftler hat gemeinsam mit seiner Frau Sarah Heiligtag (40) den Hof Narr aufgebaut. Die beiden kennen sich von der Universität: «In Vorlesungen hört man, was in der Welt alles schiefläuft. Auch mit der Massentierhaltung, sie ist ethisch unhaltbar und belastet die Umwelt enorm. Trotz dieses Wissens bestellt man sich nachher in der Mensa eine Bratwurst.»
Eine gelebte Utopie für Herz und Verstand
Wie man diese Widersprüchlichkeit überwindet, lebt die ganze Familie in Hinteregg ZH vor. «Wir wollen Hand, Herz und Verstand zusammenbringen. Schweine und andere Nutztiere werden auf unserem Lebenshof geschützt statt genützt.» Eine gelebte Utopie, die dank der Unterstützung von Patenschaften für jedes aufgenommene Tier funktioniert. Dazu werden eigenes Gemüse und Obst über den Hofladen und Abos vertrieben.
Die Tiere hinterlassen Spuren im Herzen
Auf dem Hof Narr leben über 80 gerettete Tiere, das scheint im Vergleich mit andern Höfen nicht viel. «Doch mit diesen wenigen Tieren erreichen wir Tausende Menschen und hinterlassen Spuren in ihren Herzen.» Etwa wenn man Tiffy auf Social Media beim Spazieren zuschauen kann oder wenn Schulklassen zu Besuch kommen. «Die Kinder lernen Schweine als Persönlichkeiten kennen und dass sie sich nicht gross von Hunden oder Katzen unterscheiden.»
Schweine werden unterschätzt
Denn Schweine würden total unterschätzt. «Dabei könnten sie unsere besten Freunde sein. Sie sind absolut sauber, intelligent und einfühlsam. Mit ihren Menschen gehen sie schneller als viele Haustiere eine emotionale Verbindung ein.» Dennoch blüht den meisten das gleiche Schicksal: sechs Monate auf Halbspaltenböden im eigenen Kot und Urin, dann gehts zum Schlachthof.
Landwirte satteln um
Ein Ende, das auch manchem Landwirt nahegeht: «Heute hat mir eine Bäuerin geschrieben, wie sie beim Verladen des Schlachttransporters spürte, dass sie das nie mehr tun könne», so Klingler. Beim Hof Narr gehen jede Woche mehrere Anfragen von Bauern ein, die etwas verändern oder ganz weg von der Tiernutzung wollen. Ein grosser Hof in Wald ZH konnte sich mit Klinglers Unterstützung in einen Lebenshof verwandeln. «Weitere werden folgen.»